Winter-Doihnekes

von Werner Beckmann
Die Idee dieses ersten Dönekens stammt nicht von mir, ich habe sie irgendwo aufgeschnappt.
Dei Idäi van düesem äisten Doihneken stammet nit van mey, ick hewwe se iärgendbo opschnappet.
Hitze und Kälte
Die Kinder sitzen in der Schule. Die Lehrerin will ihnen beibringen, wie Kälte und Wärme auf Menschen, Tiere und Dinge einwirken. Nun sagt sie: „Ihr müsst euch einmal in der Natur umsehen. Da kann man feststellen: Wenn es warm wird, dann dehnen sich die Gegenstände aus. So kann es auch geschehen, wenn es sehr heiß ist, dass sich Bahngleise ausdehnen. Sie werden sozusagen ein wenig größer, sie verformen sich, und dann kann es passieren, dass durch diese große Hitze ein Unglück mit dem Zug passiert. Aber wenn es dann kälter wird, dann schrumpelt das alles wieder ineinander. Fazit: Bei Wärme dehnen sich die Körper aus – und bei Kälte schrumpeln sie wieder zusammen, da werden sie kleiner. Denkt einmal daran, wenn ihr friert – ihr zieht euch dann doch auch ineinander und schüttelt euch. – Wer kann mir noch ein anderes Beispiel nennen?“ Da fliegt Fritzchens Hand hoch – und das sehr schnell. „Na, Fritzchen, dann lass einmal hören! Was hast du denn gefunden?“ Fritzchen steht auf und sagt mit einer recht lauten Stimme: „Ja, mit den Ferien ist das doch auch so!“ Die Lehrerin lässt ihn nicht ausreden. „Was? Bist du verrückt? Was haben die Ferien denn mit physikalischen Fakten zu tun?“ Fritzchen lässt sich aber nicht irre machen. „Ja, ist aber so! Sehen Sie, im Sommer, da sind die Ferien sechs Wochen lang, aber im Winter, zu Weihnachten, da sind sie zusammengeschrumpelt
auf vierzehn Tage!“ Und ehe die Lehrerin darauf antworten kann, hat Fritzchen noch ein Beispiel: „Ja, Frau Lehrerin, und so ist das doch mit den Tagen auch! Im Sommer, da sind sie sehr lang, aber im Winter, so um Weihnachten rum, da sind sie ganz kurz – da steht man im Dunkeln auf und geht im Dunkeln wieder ins Bett!“
Wiärmde un Külle
Dei Blagen sittet in diär Schaule. Dei Lehrske well iännen beybrengen, biu dat Külle un Wiärmde, biu dat dei op Mensken, Diers un Dinge inwürket. Niu siëtt se: „Ey mott ugg mol in diär Natiuer ümmeseihn. Do kann me fastestellen, wann’t warm is, dann diënnt sick dei Giëgenstänne iut. Säo kann et gescheihn, wann et wahne häit is, dat säone Bahngleise, dat dei iärk äok iutdiënnt, dei weert säoteseggen en kitzken grötter, se verfuarmt iärk, un dann kann’t passäiern, dat diär düese gräote Hitze en Unglücke met säo nem Zuge passäiern kann. Awwer wann et dann wier käller weet, dann schrumpelt dat alles wier inäin. Fazit: Bey Wiärmde diënnt iärk dei Körpers iut – un bey Külle schrumpelt se inäin, do weert se wenniger. Denket mol dran, wann ey freiset – ey tütt ugg dann doch äok inäin un schürrelt ugg. – Wei kann mey dann näo en anner Beyspiëll seggen? Do flüget diäm Fritzken seyne Hand häoge – un dat ganz flott. „Na, Fritzken, dann lot mol hörn! Wat hiäste dann fungen?“ Et Fritzken stäiht op un siëtt met säo ner rechten harren Stemme: „Jo, met diän Ferigen, do is dat doch jau säo!“ Dei Lehrske lätt ne nit iutkuiern. „Wat? Bis unweys? Wat het de Ferigen dann met physikalsken Fakten te daune?“ Et Fritzken lätt sick awwer nit dulle maken. „Jo, is awwer säo! Kucket mol, imme Suëmmer, do sind de Ferigen säss Wiäken lang, awwer imme Winter, tau Christdag, do sind te tehäope schrumpelt op väiertenn Dage! Un eger dat de Lehrske do wat tau seggen kann, do hiät et Fritzken näo en Beyspiëll: „Jo, Frau Lehrske, un säo is dat doch met diän Dagen äok! Imme Suëmmer, do sind se wahne lang, awwer imme Winter, säo ümme Christdag rümme, do sind se wahne kuart – do steiht me imme Duistern op un gäiht äok imme Duistern wier in’t Berre.“
Missverstanden
Vermerk vorab: Am Stephanstag (dem zweiten Weihnachtstag) gehen die Männer nach der Messe in die Wirtschaft und trinken sich dort ordentlich einen, und dabei unterhalten sie sich auch ausgiebig. Das nennt man dann „Stephanus-Steinigen“ und das machte man früher überall im Sauerland. Hännes ist zum ersten Mal bei Onkel und Tante im Sauerland zu Besuch, und das für ein paar Tage. Hier hat er ein schönes Weihnachtsfest erlebt. Nun ist es Abend, der nächste Tag ist der Stephanstag (auf Platt: Steffens-Dag). Sein Vetter heißt auch Steffen, der hat dann Namenstag. Kurz nach dem Abendessen hört er, wie der Onkel zur Tante sagt: „Auf morgen freue ich mich schon. Dann geht es richtig los, der Stephanus wird gesteinigt – volles Programm!“ Hännes kriegt das mit. Er erschrickt. Der Onkel nennt seinen Sohn nur dann „Stephanus“, wenn er mit ihm schimpft. Hat sein Vetter Steffen etwas Ungehöriges gemacht, und soll er nun dafür Prügel bekommen? Prügel sind doch verboten! Es lässt ihm keine Ruhe, er geht hinüber zu Steffen, sieht ihn von der Seite an und fragt dann: „Sag mal, Steffen, was hast du denn gemacht? Bist du so ein Radaubruder, oder womit hast du dich schwarz gemacht? Ich habe eben deinen Vater etwas sagen hören, ich glaube, der ist gar nicht zufrieden mit dir. Du wirst wohl ordentlich etwas auf die Jacke kriegen – dein Vater sagte, er wolle dich mit Steinen bewerfen, und andere Leute sollen sogar mithelfen!“ Steffen wird weiß um die Nase: „Was ist denn meinem Vater in die Krone gestiegen? Ja, ich bin vor ’ner Woche an sein Portemonnaie gegangen und habe zwei Euro daraus stibitzt. Aber er war doch drüber hergekommen und er hat mir gründlich Bescheid gesagt. Und er sagte, wenn’s nicht wieder vorkäme, dann solle es damit auch gut sein. Und jetzt fängt es doch wieder an – und er will mir so an den Balg?“ Da kommt der Vater herein, er hat alles mitbekommen. Steffen will schon auf ihn los, er will sich gründlich wehren, aber der Vater wehrt ab: „Lass gut sein, Steffen! Aber unser Hännes, der hat etwas missverstanden: ‚Den Stephan steinigen‘, das bedeutet nicht, dass wir uns unseren Steffen packen und den mit Steinen bewerfen. Das heißt nur, wir Männer gehen auf Stephanstag nach der Messe in die Kneipe und trinken uns da ein paar oder auch mehr – was da gesteinigt wird, das ist unser Körper, und die Steine, das sind die Biergläser – volle Gläser natürlich. Aber, Jungens, euch beide kann ich nicht mitnehmen, ihr seid noch zu jung dafür. Ich bekäme sonst Ärger mit dem Jugendamt.“

Verkehrt verstohn
Vermiärk viäraf: En Steffensdag, do gatt de Mannsluie noh der Misse in de Weiertskop un drinket iärk do düchtig ennen, un dobey hallet se äok ne langen Prohl. Dat Dingen, dat nennet se dann: „Stefanus-Steinigen“ un dat het se frögger allerwiägen imme Siuerlanne dohn. Dei Hännes is et äiste Mol bey Onkel un Tante imme Siuerlanne te Besauk, un dat fiär en paar Dage. Hei hiät hey en schoin Christfest erliäwet. Niu is et Owend, en annern Dag es Sünte- Steffens-Dag. Seyn Vedder, dei hett äok Steffen, dei hiät dann Namensdag. Kuart noh me Nachtmes, do hört hei, biu dei Onkel fiär dei Tante siëtt: „Op muargen, do frögge’k miëck all. Dann gäiher’t richtig loss, dann weet de Stefanus steiniget – volles Programm!“ Dei Hännes kitt dat met. Hei verschrecket siëck. Dei Onkel nennet seynen Suënn mänt dann „Stefanus“, wann’e met me schänget. Hiätt seyn Vedder Steffen dann wat iutläopen loten, un sall’e niu dofiär Wämse kreygen? Wämse sind doch verbuan! Et lätt ne kenne Rugge, hei gäiht rüewer noh’m Steffen, kucket ne säo van diär Seyt aan un fröget dann: „Segg maol, Steffen, wat hiäs diu dann dohn? Bis diu säo ne Radaubrauer, odder met wat hiäste diëck schwuart maket? Ick hewwe iäwens deynen Vaar wat siën hort, iëck gloiwe, dei is gar nit tefriän met dey. Diu sass wall örndlick wat op de Jacke kreygen – deyn Vaar saggte säogar, hei well diëck met Stäinen schmeyten, un annere Luie sollt säogar methelpen!“ Dei Steffen, dei weet witt ümme dei Nase: “Wat is meynem Vaarn dann inne Kräone stiëgen? Jo, ick was vör ne Wiäcke an seynen Geldbuil gohn un iëck harre do twäi Euros riut miuset. Awwer hei was doch drüewer hiärkummen un hei hiät mey gründlick Beschäid saggt. Un hei saggte, wann’t nit wier viärkeme, dann söll’t domet äok guëtt seyn. Un niu fänger’t doch wier aan – un niu well’e mey säo an’n Balg?“ Do kümmet de Vaar rin, hei hiät dat ganze Tuiges metkriëgen. Steffen well all op ne loss un well siëck gründlick wehrn, awwer dei Vaar, dei wehrt af: „Lot guëtt seyn, Steffen! Awwer uëse Hännes, dei hiät wat verkehrt verstohn. ‚En Steffen steinigen‘,dat het nit, dat vey uës uësen Steffen packet un diän met Steynern schmitt. Dat hett bläot, vey Mannsluie gatt op Sünte Steffens Dag noh de Misse inne Kneipe un drinket uës do en paar odder äok mehr – wat do steiniget weet, dat is uëse Leyf, un de Stäiner, dat sind dei Beiergliäser – vulle Gliäser, verstäiht sick. Awwer, Jungens, ugg beie kann iëck nit metniämmen, ey seyd do näoh te jung för. Iëck kriëgg süß Iärger met me Jugendamte.“