Das Sauerland im Herzen

Ein Gespräch mit Elmar Reuter, Vorsitzender Sauerländer Heimatbund

von Sandra Wahle und Hermann-J. Hoffe
Als Vorsitzender des Sauerländer Heimatbundes und Ehren bürgermeister der Stadt Olsberg setzt sich Elmar Reuter für die Belange seiner Heimat ein. Vor drei Jahren wurde er für sein langjähriges kommunalpolitisches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. WOLL hat den umtriebigen Sauerländer am Rande der diesjährigen Mitgliederversammlung des Sauerländer Heimatbundes in Holthausen zum Gespräch getroffen.
WOLL: Viele Bürger beklagen sich über die Politik, ganz unabhängig davon, auf welcher Ebene politische Entschei dungen getroffen werden. Was glauben Sie, woher das kommt?
Elmar Reuter: Da gibt es sicher vielfältige Gründe. Meine Erfahrung ist, dass die Gegner immer lauter sind als die Befürworter. Wenn man zum Beispiel ein Bauvorhaben angeht und die Bürger darüber informieren will, reicht dafür nicht eine einzige Veranstaltung. Man muss einen Prozess stattfinden lassen und die Bürger immer wieder auf den neuesten Stand bringen. So kann Verständnis für politische Entscheidungen entwickelt werden. Auf der anderen Seite ist der direkte Einfluss der Menschen, vor allem bei der Landesund der Bundespolitik, sehr gering. An der politischen Willensbildung der Parteien sind immer weniger Menschen beteiligt und den Parteien gelingt es auch seltener, für Mitgliedschaften zu begeistern. Es müssen andere Wege gefunden werden, damit wieder mehr Menschen an die Wahlurne gelockt werden.
WOLL: Sollte es an manchen Stellen mehr Bürgerbeteiligung geben, wie zum Beispiel bei dem Bau eines Spielplatzes oder gar bei Haushaltsfragen? Auf Stadt ebene wäre der Aufwand doch gar nicht so hoch, da die Zahl der Menschen relativ überschaubar ist, verglichen mit dem Kreis oder sogar dem Land.
Elmar Reuter: Die Ergebnisse, die so manch eine Bürgerbefragung hervorgebracht hat – das krasseste Beispiel ist die Brexit-Entscheidung – sind fraglich. Es ist die Aufgabe eines Wählers, sich ausreichend zu informieren, denn eine Wahlentscheidung basiert auf einer ausreichenden Urteilsfähigkeit. Wenn die Informationen, die ich brauche, aber nicht
ausreichend oder gar falsch sind, kann ich auch kein richtiges Urteil fällen. Ich halte die repräsentative Demokratie für die angemessenere Form, denn die Gefahr, dass es zu Fehlentscheidungen kommt, ist zu groß. Das heißt aber auch, dass gerade die Akteure auf Stadtebene das aufnehmen müssen, was in der Bürgerschaft gefordert wird.

Foto: Ralf Litera


WOLL: Seit acht Jahren sind Sie Vorsitzender des Sauerländer Heimatbundes. Was bildet dort den Schwerpunkt Ihrer Arbeit?
Elmar Reuter: Der Sauerländer Heimatbund hat vorrangig im Auge, dass das Sauerland ein Lebensraum mit einer gewissen Selbstständigkeit, Tradition und einem eigenen Selbstbewusstsein ist. Zusammen mit anderen Organisationen versuchen wir, dies im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Wir beschäftigen uns aber auch mit landespolitischen Themen, wie dem Landesentwicklungsplan oder der Wirtschaft in unserer Region. Wir suchen Kooperationen und Vernetzungen und sind so unter anderem Gründungsmitglied des neuen Trägervereins Naturpark Sauerland-Rothaargebirge sowie des Fördervereins Musikbildungszentrum Südwestfalen in Bad Fredeburg.
WOLL: Auf Ihrer Internetseite schreiben Sie: „Der Sauerländer Heimatbund arbeitet zukunftsorientiert; denn wir sind Lebensraum für viele Menschen mit hervorragenden ökonomischen und ökologischen Potentialen.“ Wenn wir Jahr für Jahr auf die Einwohnerzahlen blicken, sehen wir aber, dass die Dörfer schrumpfen. Immer mehr junge Menschen gehen in die Stadt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Elmar Reuter: Wir merken das auch an unseren Mitgliederzahlen. Wir gewinnen zwar kontinuierlich Mitglieder dazu, jedoch nur wenige junge Menschen. Ich unterstütze die Aktionen von Heimvorteil HSK, die sich darum bemühen, dass Menschen, die zum Beispiel aus beruflichen Gründen umziehen mussten, wieder in ihre Heimat zurückkehren. Interessant ist, dass der Sauerländer Heimatbund im Jahre 1921 von eben solchen Rückkehrern gegründet wurde. Im Wesentlichen waren das Gymnasiasten und Studierende, die sich zusammengesetzt haben, um etwas für die Region zu tun.
WOLL: Womit könnte man Menschen denn wieder zurück ins Sauerland locken?
Elmar Reuter: Für so was gibt es kein Patentrezept, dafür sind die Gründe der Einzelnen zu vielfältig. Was mich bei diesem Thema aber immer wieder ärgert, ist, dass viele junge Menschen nicht wissen, welche Möglichkeiten sie hier im Sauerland haben und dass es tolle Arbeitgeber gibt mit großem Entwicklungspotential. Das Wissen darum muss mehr verbreitet werden.
WOLL: Sie schreiben außerdem auf Ihrer Internetseite, dass Ihnen der Natur- und Landschaftsschutz ein wichtiges Anliegen ist. Es gibt ja so viele schöne Aussichtspunkte hier, wie stehen Sie dazu, dass von dort aus womöglich mal riesige Windräder betrachtet werden können?
Elmar Reuter: Es gibt im Sauerland vielleicht Standorte, an denen Windräder weder den Menschen stören noch das Landschaftsbild zu stark beeinträchtigen würden. Aber die aktuelle Vorgehensweise halte ich für falsch: Den Kommunen fehlt der Spielraum, ohne Vorgaben von außen Flächen festzulegen oder gar ganz abzulehnen. Außerdem ist es falsch, einen Produktionswert an Strom für eine Region festzulegen, ohne zum Beispiel Konflikte, wie sie durch die Zerstörung des Landschaftsbilds aufkommen, zu berücksichtigen. In derBundespolitik wurde nach Fukushima zu schnell das Ruder
herumgerissen: Es fehlt ein Masterplan „Energie“. Es kann doch nicht sein, dass wir Kohlekraftwerke stilllegen, um sie später vielleicht mit großem Aufwand wieder ans Laufen zu bringen, weil wir nicht genug Strom haben, wenn die Sonne mal nicht scheint oder der Wind nicht weht. Vor dem Hintergrund, dass Standorte preisgegeben werden, die eine bestimmte touristische oder landschaftsästhetische Bedeutung haben, sage ich klar: Nein, das geht nicht!
WOLL: Ihr Herz schlägt für das Sauerland. Gibt es einen Ort im Sauerland, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Elmar Reuter: Vom Olsberg hat man einen wunderbaren Blick, seitdem die hohen Fichten verschwunden sind. Aber es gibt so viele schöne Orte hier. Wenn eine Veranstaltung des
Sauerländer Heimatbunds stattfindet, fahre ich schonmal längere Strecken mit dem Auto. Es überrascht mich immer wieder, dass man dann oft Stellen findet, an denen man vorher nie gewesen ist. Das macht den Reiz des Sauerlandes aus.
WOLL: Welche Sauerländer Persönlichkeit der Zeitgeschichte hat Sie besonders beeindruckt und vielleicht auch ein wenig geprägt?
Elmar Reuter: Friedrich Merz bringe ich meine uneingeschränkte Wertschätzung entgegen – da muss ich nicht lange überlegen. Ich kann mich noch genau an seinen ersten Auftritt auf einem Kreisparteitag erinnern. Schon dort und bei allen weiteren Reden konnte man die Stecknadel fallen hören. Die freie Rede ist seine Stärke und er ist überzeugend. Diese Eigenschaft sollte man sich abgucken, wenn es denn so einfach wäre (lacht).
WOLL: Wie erklären Sie Menschen, die das erste Mal vom Sauerland hören, was das Besondere, Einzigartige am Sauerland ist?
Elmar Reuter: Das beginnt mit der Landschaft und dem Ortsbild. Das ist zwar überall etwas anders, aber durchgängig ansprechend. Als ich einst Heinz Rühmann empfangen durfte, schwärmte seine Frau von den vielen schönen Hausgrundstücken und gepflegten Gärten. Ich habe ihr erklärt, dass das nichts mit Reichtum zu tun hat, sondern damit, dass die Prioritäten so gesetzt werden. Hier wird viel durch Ehrenamt oder Nachbarschaftshilfe erreicht. Das andere ist der Menschenschlag und die Nähe der Menschen zueinander. Meine Mutter war Rheinländerin, aber mir liegt die sauerländische Art eher.