Die Schmallenbergerin Lisa Mörchen unterwegs

Deutsche Küche auf der Queen Mary 2

von Lisa Mörchen
Bei knapp 40 Grad stehen wir auf dem Balkon einer der großen Suiten des berühmten Oceanliners Queen Mary 2 – ein Champagnerglas in der einen und deutsche Kost von Executive Chef Klaus Krämer aus Köln in der anderen Hand. Ein Paar aus München, beide kommen seit Jahren auf die Queen Mary 2, hat zu einem deutschen Mittagessen eingeladen, um sich bei der Crew zu bedanken. Während wir schwatzen und schwitzen, fährt der traditionsreiche Dampfer über den 193 Kilometer langen Suezkanal. Das Flaggschiff der Cunard Line bietet Platz für über 3.000 Gäste und über 1.200 Crew-Mitglieder. Es ist das einzige Schiff, das noch regelmäßig die traditionelle Route von Southampton nach New York anbietet. Über den Sommer legt die Queen Mary 2 immer
wieder die rund 3.000 Seemeilen zurück. Im Januar geht sie, wie die beiden anderen Schiffe der Cunard Line, Queen Elizabeth und Queen Victoria, auf Weltreise.

Als International Hostess um die Welt

Foto: Lisa Mörchen


Begonnen hat meine viermonatige Reise nicht auf dem ägyptischen Schifffahrtskanal, sondern im australischen Sydney. Im Februar heuerte ich für meinen ersten Vertrag als International Hostess auf dem Liner an, um die deutschsprachigen Gäste an Bord zu betreuen. Während wir Australien, Neuseeland, Asien, den Nahen Osten und
schließlich das Mittelmeer bereisten, übersetzte ich das Tagesprogramm und die Menüs auf Deutsch, assistierte bei Verständigungsproblemen an der Rezeption, im Spa oder im medizinischen Zentrum. Neben einer deutschen Ansprechpartnerin gab es einen Ansprechpartner für die japanischen sowie für die spanischen und französischen Gäste. Wir „Internationals“ unterstützten neben unseren Übersetzungstätigkeiten außerdem das Entertainment-Team – begrüßten Gäste am Theater oder nahmen an festlichen Cocktail-Partys im Queen’s Room teil.
Champagner am Nachmittag war eher eine Ausnahme – und willkommene Abwechslung. Die Arbeitstage auf einem Schiff sind lang, beginnen nicht selten um sieben Uhr früh mit der Abreise der Gäste und enden oftmals erst nach 23 Uhr mit dem Verabschieden der Gäste im Theater. Wochenenden oder einen freien Tag dazwischen gibt es nicht, und das vier Monate am Stück. Ständige Zeitverschiebungen tun ihr Übriges. Nicht nur an die Arbeitszeiten musste ich mich als „See-Neuling“ gewöhnen. Auch das Leben an Bord und die vielen Regeln, die es mit sich bringt, waren zu Beginn eine große Herausforderung. Regelmäßig gab es Drills, bei denen wir für den Notfall trainiert wurden. Teammeetings und Besprechungen fanden oft erst um 21 Uhr statt, weil ohnehin das ganze Team auf dem Schiff unterwegs war. Über einen Pager, einem Rufsender, war ich an sieben Tagen die Woche 24 Stunden erreichbar. Ich habe sehr herzliche und nette Gäste getroffen, aber auch weniger freundliche, anstrengende Gäste. Die kleine Kabine teilte ich mir mit einer Kollegin aus Großbritannien. Alleine war man selten, Privatsphäre bot nur ein Vorhang vor dem Etagenbett.

Kollegen aus über 50 Nationen

Foto: Lisa Mörchen


Anders als zahlreiche andere Schiffe ist die Queen Mary 2 viele Tage auf See. Dadurch verbringt die Crew sehr viel Zeit an Bord und man trifft stets Kollegen – bei den Mahlzeiten, im Büro oder im Fitnessstudio. Anders als bei Jobs an Land geht nach Feierabend eben niemand nach Hause. Dadurch entwickeln sich schnell tiefe Freundschaften mit Menschen aus aller Welt. Meine Kollegen kamen aus über 50 verschiedenen Nationen, von Großbritannien und Frankreich über Südafrika und Amerika bis zu den Philippinen, Japan und Indien.

Intensive Erfahrungen und Begegnungen

Das viele Arbeiten wurde belohnt: mit einzigartigen Eindrücken, intensiven Erfahrungen und herrlichen Begegnungen. So habe ich mich abends in der Crewbar mit dem Bordarzt unterhalten; am nächsten Tag stand ich in der Praxis und versuchte, mit Händen und Füßen die Beschwerden eines Gastes zu übersetzen, weil mir das englische Wort für Bandscheibenvorfall partout nicht einfallen wollte. Ich habe mit Grippe und von einem langen Tag übermüdet an der Theatertür gestanden, um auf einen herzlichen Amerikaner

Foto: Lisa Mörchen


zu treffen, der aufgrund der politischen Situation in den USA mit seiner Familie nach Irland auswanderte ist – die Queen Mary 2 diente als Umzugsauto. Ich habe mit einem äußerst unfreundlichen Gast gesprochen, der sich immer nur über alles beschweren konnte, um dann auf ein Paar aus der Schweiz zu treffen, mit dem ich mich so gut verstanden habe, dass wir jedes Mal Tränen gelacht haben, wenn wir uns an Bord über den Weg gelaufen sind.
Neben den Menschen machen die zahlreichen Häfen den Job an Bord einzigartig. In kürzester Zeit bereist man den halben Globus – erkundet die jordanische Wüstenstadt Petra, macht Sightseeing in Dubai, bestaunt Moscheen in Maskat im Oman und isst Pizza in Rom. Ich werde nie vergessen, wie wir aus dem Hafen von Hong-Kong ausgelaufen sind, wie morgens die Sonne über der Skyline von Manhattan aufging – oder wie ich zum ersten Mal seit Wochen wieder ein Körnerbrot gegessen habe, mitten auf dem Suezkanal.
Das Leben an Bord ist eine andere Welt.