Wo die Kirche noch mitten im Dorf steht

Kraftort und Begegnungsstätte in der Pfarrkirche St. Georg Grafschaft

von Heike Schulte-Belke
Mitten im Schmallenberger Ortsteil Grafschaft vor dem großen Klosterkomplex steht die Pfarrkirche St. Georg. Grafschaft ist Teil des pastoralen Bereichs Wilzenberg mit den weiteren Gemeinden Oberkirchen, Westfeld, Nordenau und Obersorpe. Der Wilzenberg gehört zur Pfarrgemeinde Grafschaft und ist als „heiliger Berg“ weit über die Grenzen hinaus als beliebter Pilgerund Wallfahrtsort bekannt. Auch das Kloster Grafschaft ist mit dem Ort eng verbunden. Die Geschichte der Kirche reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück. Damals entstand sie neben der Kirche der Benediktinerabtei als Gotteshaus für die Allgemeinheit, als sogenannte „Leutekirche“. Im 18. Jahrhundert entstand dann an gleicher Stelle eine einschiffige, dreijochige Kirche, die an den alten Turm aus der Gründungszeit angebaut wurde. Als diese zu klein wurde, beschloss man 1962 deren Abriss und einen Neubau. Der Bau dieser dritten Kirche wurde so geplant, dass sie sich dem Charakter des Ortsbildes und der Klostergebäude bestens anpasste, und so entstand eine Kirche in neuzeitlicher Architektur. Im Gegensatz zu den Vorgängerkirchen, die nach Osten ausgerichtet waren, ist die neue Kirche gesüdet. Dadurch ist die Sicht auf das Kloster nicht verdeckt. Die Pfarrkirche wurde dem heiligen Georg geweiht, der als Schutzpatron mehrfach dargestellt ist. Die Konsekration erfolgte am 18.08.1964.
Eine Besonderheit ist, dass sich hier alt und neu miteinander verbinden. So wurde der historische Kirchturm im Zuge des Neubaus erhalten und restauriert und ein großer Teil an Inventar aus dem alten Gotteshaus übernommen: der Barockaltar, die Figuren der vier Evangelisten, das Taufbecken, die Statuen, ein Kreuz sowie die Glocke an der Tür zur Sakristei. Zwei restaurierte Barockbilder aus dem Jahr 1757 sind ebenfalls an der Chorwand angebracht. Sie stammen aus der Wallfahrtskapelle auf dem Wilzenberg. Im Gegensatz dazu und im 1960er-Jahre-Stil gefertigt wurden der Tabernakel, die Kreuzigungsgruppe, Kreuze, Oster- und Altarleuchter sowie die Kreuzwegstation – alles aus der Hand von Wilhelm Winkelmann aus Günne/Möhnesee, der viel mit Kupfer arbeitete. Auch die beiden großen Eingangstüren wurden von ihm gestaltet. Die Orgelbühne ragt in den hinteren Kirchenraum hinein und ist über eine Treppe zugänglich.
Die Heiligenfenster seitlich, die Fensterrose der Orgelbühne, fünf weitere Fenster darunter sowie die Altarfenster stammen vom Künstler Hans Theo Richter aus Dortmund-Hombruch. Eine aus Holz geschnitzte Pietà, ebenfalls aus der alten Kirche, wurde von Wilhelm Winkelmann mit neuen Medaillons umrahmt und ziert die Marienkapelle im Gewölbe des Kirchturms. Von hier aus oder auch von außen hat man Zutritt zum Innenhof, der ansprechend gestaltet ist und zum Innehalten einlädt. Der Friedhof mit einer Kapelle schließt sich direkt an die Pfarrkirche an. In den Jahren 1996/97 enstanden ein neues Pfarrzentrum mit Pfarrheim als Begegnungsstätte, Dienstwohnung und Bücherei. Die gewählte Bauform, der Kreis, steht hier als Symbol der Einheit.
Regelmäßig finden in der Grafschafter Kirche heilige Messen statt, das Pfarrheim wird fast täglich von der Gemeinde genutzt und die katholische öffentliche Bücherei wird ehrenamtlich geführt. Am ersten Weihnachtstag wird immer eine besondere Festandacht mit alten Weihnachtsliedern gefeiert. Das alles und auch die Besucherzahlen des Wilzenbergs zeigen, dass der Bedarf an Kraftorten und Gemeinschaft wohl doch noch vorhanden ist.