"Ich wusste, ich schaffe das!"

Reinhold Pieper schafft es als Erster weltweit, eine Rezeptur zu entwickeln, die schädliche Strahlungen abfangen kann.

von Kerstin Thielemeier
Eigentlich ist es der Stoff, aus dem klassische Hollywood-Drehbücher geschrieben werden. Ideengeber und Hauptdarsteller könnte Reinhold Pieper aus Dorlar sein. Der Seniorchef vom Betonwerk Theodor Pieper GmbH & Co. KG hat sich schon längst einen Namen gemacht, wenn es um hervorragende Produktqualität, bahnbrechende Innovationen und Patentanmeldungen geht. Doch mit seiner neuesten Entwicklung ist ihm ein Geniestreich gelungen.

Foto: Klaus-Peter Kappest


Unter der Rubrik „Das kommt aus Schmallenberg“ stellt die Wirtschaftsförderung Schmallenberg Unternehmen Zukunft (SUZ) immer wieder interessante Unternehmensgeschichten und -entwicklungen aus Schmallenberg vor. Doch was Annabel Hansen mit ihrem Team von SUZ bei einem Unternehmensbesuch bei Pieper erfahren durfte, ist spektakulär und weltweit einzigartig. „Viele Schmallenberger Unternehmen sind mittlerweile Teil des internationalen Wettbewerbes und somit in den unterschiedlichsten Branchen mit Technik, Qualität, Know-how und Innovation weltweit gefragt. Das Betonwerk Pieper gehört dazu und ist bereits heute ein geschliffener Rohdiamant“, berichtet die Geschäftsführerin von SUZ.
Weltweit einzigartig? Was ist damit gemeint? Über 100 Jahre Erfahrung im Betonbau ist eine starke Leistung, aber das macht noch kein Alleinstellungsmerkmal aus. „Beton ist nicht gleich Beton. Ich habe 100 verschiedene Rezepturen dafür. Natürlich alle im Kopf“, schmunzelt der 78-jährige Reinhold Pieper. Er ist trotz seines Erfolges so bescheiden wie genial. Das sehen nicht nur seine Patentanwälte so, sondern auch die naturwissenschaftlichen Doktoren und Professoren vom Aachen Institute for Nuclear Training GmbH (AiNT) und dem Forschungsreaktor FRM-II in Garching. Reinhold Pieper hat es nämlich geschafft, Rastersteine zu entwickeln, die Gamma-Strahlen und Neutronen abschirmen können. Aus diesen Steinen wurde bereits ein Strahlenschutzbauwerk errichtet, das derzeit zu Forschungszwecken genutzt wird. Die angestrebte Strahlenschutzwirkung ist nach einer Wahrscheinlichkeitsrechnung extrem erfolgreich. „Ich war mit meinem Team natürlich vor Ort, als dieser ,Bunker‘ für das Atomforschungszentrum in Jülich gebaut wurde“, berichtet Reinhold Pieper.
Stolz ist er auf sein familiengeführtes Traditionsunternehmen, in dem er gerade die vierte und fünfte Generation einarbeitet. Angefangen hat alles mit normalen Betonsteinen und Dachziegeln aus Beton. Auf seinem Fachgebiet Neuland zu betreten, das sah er immer als

Foto: Klaus-Peter Kappest


Herausforderung. So entwikkelte er bereits vor einigen Jahren mit seiner Familie und seinem Team einen Rasterstein aus Beton, der die optisch attraktive Form eines Natursteins hat. Mittlerweile ist es ein patentiertes Verfahren beziehungsweise Produkt, das
europaweit nur vom Betonwerk Pieper in Schmallenberg-Dorlar angeboten wird. Diese Rastersteine in Bruchsteinoptik können schnell und unkompliziert verarbeitet werden, weil sie dem Prinzip eines Legosteines nachempfunden wurden. Und so kam es, dass die Aachener Wissenschaftler in Dorlar anriefen und den Meister des Betons fragten, ob er einen Stein entwickeln könne, der in erster Linie schädliche Strahlung abfängt. „Das war eine Herausforderung, die mich viele Nerven und Monate gekostet hat“, erinnert sich Reinhold Pieper. Versuch und Irrtum standen an der Tagesordnung. Jede Rezeptur wurde akribisch notiert. Es klappte nicht. Warum nicht? Noch einmal und noch einmal und … Seine Ehefrau Ursula, mit der er 53 Jahre verheiratet ist, und seine Tochter Claudia (51 Jahre) sind ebenfalls im Unternehmen tätig. „In der Zeit, als mein Vater diese Herausforderung angenommen hatte, war er ungenießbar. Aber er hat es geschafft. Die hohe Druckfestigkeit zu erreichen war eines der Probleme,“ erzählt Tochter Claudia. Die Schwierigkeit bestand darin, die Materialien zur Abschirmung von Neutronen in eine noch nie dagewesene Druckfestigkeit zu bekommen. Das richtige Mischverhältnis, die schnelle Reaktion, die kurze Abbindezeit und trotzdem eine extrem hohe Festigkeit hat Reinhold Pieper als Erster weltweit erreicht. „Ich habe über 50 Jahre Erfahrung im Betonmischen, und trotz aller Verzweiflung zwischendurch wusste ich, ich schaffe das. Ziel war es, Colemanit mit Zement in Beton zu binden“, erläutert Reinhold Pieper. Dass dazu auch enormes Fachwissen in den Bereichen Physik und Chemie erforderlich ist, kommentiert er kurz mit: „Ohne geht es natürlich nicht.“ Wer weiß, vielleicht steht sein Name irgendwann auf der Liste der Nobelpreisträger – made in Germany, Schmallenberg. Wissenschaftler geben sich regelmäßig in Dorlar die Klinke in die Hand. Sie sind auf dem Weg zum Strahlenschutz für ein atomares Endlager ein ganzes Stück weitergekommen. Ein Patent ist selbstverständlich schon längst auch auf dieses Produkt beziehungsweise „Rezept“ angemeldet.