Man müsste nochmal 20 sein ….

Wie war das früher mit dem Ausgehen in Meschede?

Wer sich heute in Meschede mit Freunden auf ein Glas Bier oder Wein treffen möchte, der findet sich vielleicht bei Kotthoffs Theo ein oder im brandneuen H1 am See. Doch wie war das eigentlich früher, vor vielen Jahrzehnten? Wer könnte uns solche Fragen besser beantworten als die Menschen, die diese Zeiten erlebt haben. WOLL hat einige auch heute noch muntere Zeitzeugen, Mescheder Teens und Twens der 1930er bis 60er Jahre, getroffen und befragt. Beim Blick auf alte Fotos und Ansichtskarten sprudelten die Erinnerungen.
 

Margret Worring beim Interview


 

Inge Faupel und Renate Duske beim Interview … und beim feiern 2018


Lucia Kotthoff beim Interview – Sie hatte Fotos und Zeitungsausschnitte vorgeholt

Maria Wrede und Martha Paul haben inzwischen die 90 schon überschritten, und sie lassen uns teilhaben an ihren ersten Besuchen in der Mescheder Gastronomie zur Vorkriegszeit. „Wir sind immer gern gewandert“ erzählt Maria Wrede. „Anschließend haben wir oft das Waldschlösschen an der Warsteiner Straße angesteuert. Der hausgemachte Himbeersaft war eine Wucht“, schmunzelt sie.

Auch Martha Paul denkt noch gern an gesellige Stunden vor den Toren der Stadt zurück: „Am Hennesee trafen wir uns gern mit Freunden in Königs Blockhaus-Lokal auf ein Gläschen vom damals populären Anisette oder Vanillelikör.“ Der Rückweg erfolgte natürlich stets zu Fuß. Für die Sicherheit der jungen Damen sorgten die zu dieser Zeit noch mit Pickelhaube bekleideten Schutzpolizisten.

Mitte der 50er Jahre war auch in der Innenstadt viel los“, berichtet Margret Worring. Sparsam sei man gewesen. „Wenn ich mal ausging, dann gern zu Theateraufführungen ins Kolpinghaus oder in die Schützenhalle. Der Kulturring war damals sehr aktiv“, schwärmt sie. Und selbstverständlich sei man zum Tanzkurs gegangen. Unvergesslich: Die großen Abschlussbälle.

Auch Inge Faupel und Renate Duske haben viele schöne Erinnerungen an ihre Zeit als junge Frauen. „Um 1960 herum gab es unzählige Lokale in Meschede, beispielsweise den Schlegel-Krug, die Gasthöfe Niggemann und Dickel oder das Weiße Rössel in der Waldstraße.“ Tanz sei oft bei Live-Musik möglich gewesen, aber auch mit den neu aufgekommenen Jukeboxen, die nach dem Einwurf eines Groschens eine Schallplatte nach Wahl abspielten. Dazu ließ in der Hühnerbar im Lanfertsweg das erste fluoreszierende Blaulicht Meschedes die weißen Blusen und Hemden chic aufleuchten. Gleich drei Kinos luden zum kurzweiligen Vergnügen mit Filmen wie „Sissi“, „Jenseits von Eden“ oder „Psycho“. Und man erinnert sich an den damaligen Skandalstreifen „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef, den sich ein „ordentlicher“ Sauerländer nicht ansehen sollte.

Wir hatten ja noch die 45-Stunden-Woche und mussten sechs Tage in der Woche arbeiten“, erinnern sich Marlies und Georg Röttger. „Somit war es lediglich samstags möglich, abends auszugehen.“ Sie erzählen von schönen Stunden im Café Rüdiger, welches sie in den frühen 60ern mit Cocktailsesseln und Nierentischen auf einen gepflegten Abend dorthin einlud, wo man heute an gleicher Stelle bei Tchibo einen Coffee-to-go erhalten kann. „Und im Kolpinghaus gab es oft Veranstaltungen, an denen wir auch schon als Backfische teilnehmen durften.“ Cola-Ball, so hätten die Musik-Events geheißen, da kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Die Stimmung sei trotzdem gut gewesen, und bei Liedern von Peter Kraus, Elvis & Co. hätte so manche junge Sauerländerin im Petticoat-Kleid dem geneigten Herrn im karierten Anzug gezeigt, wie gut sich in Meschede der Rock’n’Roll tanzen lässt.

In Böhmers Eisdiele hatte man die Auswahl zwischen drei Eissorten: Schoko-, Erdbeer- oder Vanille. Und nachdem ganz Meschede auf den Geschmack der kalten Süßigkeit gekommen war, boten die Geschwister Peus in ihrem Café die wohl leckerste Eistorte weit und breit an.

Das erste öffentliche Fernsehgerät fand man im Ausflugslokal am Köpperkopf, was für starken Besucherandrang während der noch wenigen Übertragungszeiten führte. Wer Spaß am Kegeln hatte, konnte sein Talent z. B. beim Schwarzen Peter beweisen. Fans des heimischen Fußballsports hingegen fanden sich nach den Spielen gern in Thewes Postkeller ein, wohin nicht nur goldgelber Gerstensaft, sondern auch der über die Stadtgrenzen hinaus berühmte Kartoffelsalat der Wirtin lockte.

Oder man ging zu Kotthoffs Theo, „der“ Traditionskneipe in Meschede. Die damalige Wirtin Lucia Kotthoff hatte 1956 „in die Kneipe eingeheiratet“ und diese dann über viele Jahre hinweg gemeinsam mit Ehemann Theo geführt. „Ein Bier kostete Ende der 50er Jahre 25 Pfennige“, erinnert sie sich. In den 60ern sei man dazu übergegangen, drei Bier für 1 Mark zu verkaufen. „Meistens trank man zu jedem Bier einen Wacholder oder Korn“, erzählt sie.

Legendär seien die Karnevalsfeiern mit Live-Musik in der Kneipe, bei denen man sprichwörtlich keinen Fuß mehr auf die Erde bekommen habe. Und sonntags war nach dem Kirchgang ein Treffen am Stammtisch für viele obligatorisch. Beim Kneipenbesuch wurde oft geknobelt oder Karten gespielt. Die Gäste seien in der Regel männlich gewesen; Frauen wären zunächst nur in Begleitung erschienen. Dieses habe sich erst Ende der 60er Jahre geändert, als sich der erste Frauenstammtisch regelmäßig dort einfand.

Schöne Erinnerungen an früher! Im alten Schlager heißt es: Man müsste nochmal 20 sein! Und doch ist es beruhigend, zu wissen, dass man auch mit 70+ noch gern und ausgelassen feiern kann, was unsere früheren jungen Leute locker beweisen. Etwas Musik, dazu ein Gläschen Bier, Likör oder Bowle … und schon schwingt der Petticoat gedanklich wie damals

Aufnahmen bei „Kotthoffs Theo“ in den 1950/60er Jahren


Aufnahmen bei „Kotthoffs Theo“ in den 1950/60er Jahre


Aufnahmen bei „Kotthoffs Theo“ in den 1950/60er Jahren


Aufnahmen bei „Kotthoffs Theo“ in den 1950/60er Jahren


Aufnahmen bei „Kotthoffs Theo“ in den 1950/60er Jahren


Aufnahmen bei „Kotthoffs Theo“ in den 1950/60er Jahren


Georg und Marlies Röttger beim Interview


Martha Paul und Maria Werde – auch heute wird noch gern gefeiert


Text und Fotos: Britta Melgert
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