Das Sauerland im Fußball-Fieber

Esloher bringt die Fußball-WM zu uns nach Hause

von Andrea Gödde-Kutrieb
Die Fußball-Weltmeisterschaft ist in vollem Gange. Was aber technisch hinter einer professionellen Berichterstattung und den Liveübertragungen steckt, macht man sich als Zuschauer normalerweise nicht bewusst. Damit wir die insgesamt 64 Spiele live auf unseren Fernsehbildschirmen oder online verfolgen können, müssen die Mitarbeiter bei den Fernsehanstalten gute Arbeit leisten. Burkhard Gerwin ist einer von ihnen – er ist Techniker beim ZDF. Diesmal jedoch muss der Esloher für die Übertragung aus Russland nicht in den Flieger steigen, denn ARD und ZDF haben erstmalig für diese WM ein nationales Sendezentrum in den Räumen des SWR in Baden-Baden eingerichtet.

Aus dem Fernseh- und Radiogeschäft zum ZDF

Wie Burkhard Gerwin zum ZDF kam, ist eine spannende Geschichte: Die Eltern besaßen ein Fernseh- und Radiogeschäft in Eslohe. Als ältestes von drei Kindern war für Burkhard der Berufswunsch nach der Schule insofern keine große Frage: Er wurde Radio- und Fernsehtechniker. Nach erfolgreicher Ausbildung besuchte er die Meisterschule, schloss diese als einer der Jüngsten seiner Fachrichtung mit 22 Jahren ab und arbeitete anschließend als Werkstattleiter in Frankfurt. Privat lief auf seinem TV-Gerät meistens Sport. Er erinnert sich: „Ich war ganz versessen darauf, einmal bei so einem großen Event dabei sein zu können, und bewarb mich bei den gängigen Fernsehsendern als Techniker, weil ich dachte, hier würden Fachleute gebraucht, die defekte Technik schnell und professionell vor Ort reparieren können.“ Ohne Erfolg – denn diese Vorstellung entsprach nicht der Realität, wie er heute weiß. „Beim Fernsehen wird nichts dem Zufall überlassen. Für etwaige Ausfälle stehen Ersatzgeräte parat. Alles andere wäre zu zeitintensiv.“ Weil Mainz von Frankfurt aus nicht weit ist, fuhr er damals persönlich zum ZDF, um dort seine Bewerbungsunterlagen abzugeben. Diesmal hatte er Glück und konnte persönlich überzeugen. Die erste Sendung, an der er als Techniker freiberuflich mitarbeitete, war ‚Wetten, dass ..?‘ mit Thomas Gottschalk. „Danach hat es unheimlich gekribbelt“, erinnert er sich. „Ich wartete auf den nächsten Auftrag.“ Der kam bald und weitere folgten.
Hauptberuflich war Burkhard Gerwin nun beim Fernsehen beschäftigt, wie er es sich immer gewünscht hatte. Sportgroßveranstaltungen wie Leichtathletik-Weltmeisterschaften, Tennis-Grand-Slam-Turniere, Fußball-Europameisterschaften in Holland und Belgien, die Olympischen Spiele in Sydney und London, Wintersportveranstaltungen, aber auch die Börsennachrichten, Partei- und Kirchentage – der Esloher reist seitdem um die Welt. Heute arbeitet er in verschiedenen Bereichen, überwiegend als Cutter, und ist in zwischen fest angestellt. Die Arbeit hat sich in den Zeiten der Digitalisierung natürlich stark gewandelt. Zum einen seien durch die technische Weiterentwicklung viele Abläufe einfacher geworden, zum anderen habe sich aber dadurch der Zeitdruck erhöht. Das klingt stressig. „Ist es auch“, bestätigt Burkhard Gerwin. „Aber man bekommt ja mit der Zeit Routine.“ Dass man durch den Job anders fernsieht, bemerke man vor allem, wenn man mit anderen gemeinsam gucke. „Ich erinnere mich an ein EM-Spiel, das ich zuhause mit Freunden anschaute. Die Werbung wurde zu spät eingespielt, was zur Folge hatte, dass erst wieder ins Live-Spiel geschaltet wurde, als der Anpfiff schon erfolgt war. Vielleicht waren es drei Sekunden. Mir ist das sofort aufgefallen. Im Übertragungswagen ist da mit Sicherheit die Hölle los gewesen. Um mich herum aber hat es keiner bemerkt.“

Sendezentrum in Baden-Baden statt
Russland

Die Entscheidung, für die WM in Russland ein deutsches Sendezentrum einzurichten und somit einen großen Teil der Abteilungen Produktion, Technik und Redaktion erstmals nicht im Land des Ausrichters zu stationieren, hat für den Sender natürlich in erster Linie Kostenvorteile. Doch wie stehen die Mitarbeiter dazu? „Technisch ist das möglich und wirtschaftlich nachvollziehbar“, meint Gerwin. „Insofern ist diese Entscheidung nur logische Konsequenz. Klar gibt es schöne Länder und Orte, die man auch gerne mal besuchen würde. Aber in der Regel bleibt sowieso nicht viel Zeit neben der Arbeit. In Rio war ich ganze 56 Tage und hatte kaum frei. Erst nach einiger Zeit vor Ort kam ich mal dazu, an der Copacabana die Füße ins Meer zu strecken. Diesen besonderen Moment sendete ich dann an meine Frau in Eslohe. Es kam ein freundliches Hallo von ihr und unseren gemeinsamen Freunden zurück, denn alle zusammen feierten gerade am Meiler. Copacabana hin oder her, der Esloher Meiler wäre mir tausendmal lieber gewesen.“
Einen Meiler gibt es in diesem Jahr in Eslohe nicht, aber genug andere Gelegenheiten zum Feiern. Vielleicht kann man das ein oder andere Mal auch Burkhard Gerwin treffen, denn Baden-Baden ist ja schließlich nicht aus der Welt, woll?