Sauerländer Platt: Nicht Hansi, nicht Peter, sondern Makolwes!

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Von einem Vogel, der einen männlichen Vornamen trägt.

Bei Haustieren wie Wellensittichen, Papageien und Kanarienvögeln kann man es sich vorstellen: Sie bekommen einen Namen, der üblicherweise für Menschen vorgesehen ist. Namen wie Peter, Hansi, ja sogar Otto sind da in deutschen Wohnstuben, Küchen und Kinderzimmern durchaus gebräuchlich. Dass aber eine Vogelgattung mit einem männlichen Vornamen bezeichnet wird, das ist doch wohl ziemlich selten. Aber im sauerländischen Platt ist diese Rarität zu finden. Ein aus dem Altdeutschen stammender männlicher Vorname lautet Markolf, hervorgegangen aus dem älteren Markwolf. Die beiden Bestandteile sind mark, ein altes Wort für „Markierung, Grenze“, und wolf, der auch heute noch „Wolf“ heißt. Das Wort Markwolf bedeutet demnach „Grenzwolf“ oder auch „Wolf an der Grenze“. In diesem Falle ist aber nicht das Raubtier gemeint, sondern der Wächter, meist eben stark wie ein Wolf. Der Markwolf, später Markolf, ist also der Wächter, der die Grenze bewacht und sie verteidigt. Und ausgerechnet einen solchen Namen, der für einen Vogel doch etwas hochtrabend klingen mag, trägt – im südlichen Westfalen – der Eichelhäher: Makolwe, Makolwen, Makolwes. Auch Formen wie Maikolwe oder Moikolbe sind belegt, wobei die Silbe Mai- bzw. Moiwahrscheinlich als eine Anlehnung an den Monatsnamen Mai mit eingeflossen ist.
Warum der Vogel so bezeichnet worden ist, darüber streiten sich die Gelehrten. Der Eichelhäher gilt als Warnvogel, der, wenn er Feinde entdeckt, einen Warnschrei von sich gibt und so nicht nur seine Artgenossen, sondern auch andere Tiere warnt. Auch wird von ihm behauptet, dass er sein eigenes Revier mit besonderem Nachdruck verteidige. Vielleicht hat ihm das den Namen „Grenzwächter“ eingebracht. Ein zweiter Name, der aber im Süden des Sauerlandes nicht gebräuchlich ist, lautet Hiägerk, das mit dem hochdeutschen Häher verwandt ist. Im Plattdeutschen sagt man allerdings nur Hiägerk, die Eichel wird im Namen nicht erwähnt. Wahrscheinlich geht diese Bezeichnung auf ein altes grundsprachliches Schallwort *kik zurück, mit dem der Ruf des Vogels gekennzeichnet werden soll. In den germanischen Sprachen, wo altes k zu h verschoben wurde, entstand aus *kik ein *hih, das dann durch Ableitungen zu neuen Wörtern geformt wurde. So auch im Fall des sauerländisch-plattdeutschen Hiägerk, hochdeutsch (Eichel-)Häher.
von Werner Beckmann