Die gute Sache und das gute Bier

Braumeister Thorsten Böger. Foto: Mario Polzer

Wer in der Josefs-Brauerei „Endkontrolle“ sagt, der meint Ralf Beckmann. Der 45-Jährige sitzt in seinem Rollstuhl am Ende der Abfüllstraße, kurz bevor die frisch abgefüllten Getränke in Kästen und dann auf Paletten verpackt werden. Auf dem Band ziehen 2.000 Flaschen pro Stunde an ihm vorbei, jeden Tag ein anderes Getränk. Stimmt die Füllhöhe? Sitzen die Etiketten richtig? Ist das Haltbarkeitsdatum richtig aufgedruckt? Ralf Beckmann muss seine Augen an vielen Stellen gleichzeitig haben. Ist mal etwas nicht in Ordnung, nimmt er die Flasche aus dem Produktionslauf. Das Band gibt den Takt vor. Das bedeutet volle Konzentration über 38,5 Stunden pro Woche.

"Mr. Endkontrolle" Ralf Beckmann. Foto: Mario Polzer

„Mr. Endkontrolle“ Ralf Beckmann. Foto: Mario Polzer

In der Josefs-Brauerei ist Ralf Beckmann ein Mann der ersten Stunde. Flankiert von damaliger bundespolitischer Prominenz nahm er 1999 den symbolischen ersten Spatenstich vor. Ein Jahr später floss in Bigge das erste Bier aus dem Zapfhahn. Seitdem ist Beckmann in der Produktion tätig. Den Wechsel aus der Werkstatt für behinderte Menschen des Josefsheims Bigge in die Brauerei nennt er „meinen bisher größten Erfolg“. Und fügt hinzu: „Es macht schon sehr viel Spaß, hier zu arbeiten.“

Eigentlich ist Ralf Beckmann gelernter Besen- und Bürstenmacher. Zehn Jahre lang arbeitete er in der Werkstatt, bis die Besen- und Bürstenmacherei schloss. In früheren Jahrzehnten waren Besen- und Bürstenmacher typische Berufe in Werkstätten für behinderte Menschen, ebenso Korbmacher und Stuhlflechter. Dann kam die billigere Konkurrenz mit ihrer Massenfertigung – und für Ralf Beckmann die Zeit der Veränderung. Dafür brauchte er neue Kenntnisse und Fähigkeiten und die nötige Portion Mut. Beides brachte ihn vor 17 Jahren in die Josefs-Brauerei. „Nach einer Phase des Anlernens und der Einarbeitung arbeiten die Menschen bei uns selbständig, eigenverantwortlich und mit Leidenschaft für unsere Produkte“, betont Braumeister Thorsten Böger. Eine gute Sache.

Die Josefs-Brauerei bietet zehn Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Sie brauen Bier der Marke Josefs und stellen alkoholfreie Getränke der Marke Josy her. Die Josefs-Brauerei wurde im Jahr 2000 eröffnet. Sie behauptet sich erfolgreich im hart umkämpften Getränkemarkt. Die Maschinen und Anlagen wurden speziell für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung konzipiert. So kann Ralf Beckmann, der wegen seiner Behinderung Spina bifida (angeborene Querschnittslähmung) im Rollstuhl sitzt, zum Beispiel die Armaturen im Gär- und Lagerkeller in niedriger Höhe erreichen und die Abfüllstraße mit seinem Rollstuhl unterfahren, um die Flaschen gut greifen zu können: „Für mich der optimale Arbeitsplatz.“

Foto: Mario Polzer

Foto: Mario Polzer

Zurzeit ist er der einzige Rollstuhlfahrer in der Brauerei. Seine Kollegen sind Menschen mit unterschiedlichen Körperbehinderungen, psychischer Behinderung, Hörschädigung oder Lernbehinderung, aber auch Menschen ohne Behinderung wie Braumeister Thorsten Böger – der ganz normale Alltag in einer Integrationsfirma. „Unser Anspruch ist es, jedem Mitarbeiter einen Arbeitsplatz zu geben, der seinen Stärken und Fähigkeiten entspricht, und ihn gleichzeitig weiter zu fördern, um neue Kompetenzen zu erwerben und vorhandene auszubauen“, erläutert Böger.

Nach Feierabend fährt Ralf Beckmann die 20 Kilometer lange Strecke vom Arbeitsort Bigge zu seinem Wohnort Bödefeld mit dem eigenen Auto. Es wurde speziell angepasst: „Ein Automatikwagen, bei dem ich mit Hebeln per Hand Gas geben und bremsen kann.“ Mit einem fast schon zu klischeehaften Feierabendbier soll diese Geschichte aber nicht enden. „Ich bin kein Biertrinker“, gibt Ralf Beckmann zu. „Da bevorzuge ich eines unserer alkoholfreien Getränke.“