Die Grenzen des Elektroautos

Foto: Klaus-Peter Kappest

Wie Topographie und Umweltschutz noch den Optimismus schmälern

Vorab gilt es zu berücksichtigen, dass ich Wissenschaftler bin. Das ist ein Grund, warum ich Technologie mag, aber definitiv kein Grund, um an Wundermittel zu glauben. Der medialen Berichterstattung nach könnte man manchmal glauben, das Elektroauto sei eine eierlegende Wollmilchsau. Nehmen wir das doch einmal unter die Lupe, mit besonderem Fokus auf die Einsatzverhältnisse im Sauerland.
Dabei werden wir uns auf vier Punkte konzentrieren: Die Energie, den Klima- und Umweltschutz, den Anwendungsbereich und die Gesundheit. Energie Elektromotoren sind effizienter als Verbrennungsmotoren. Das bedeutet, dass von der in sie hineingesteckten Energie mehr in Bewegungsenergie umgesetzt wird, während Verbrennungsmotoren einen beträchtlichen Teil in Wärmeenergie umwandeln, die gewissermaßen ein Abfallprodukt ist und allenfalls zur Beheizung des Innenraums verwendet wird. Umgekehrt sieht es aber bei den verwendeten Energieträgern aus: Pro Gramm gerechnet haben Treibstoffe wie Diesel und Benzin deutlich mehr Energie gespeichert als die Akkus von Elektroautos. Man spricht hier davon, dass sie eine höhere spezifische Energie besitzen. Deswegen hat man mit einer Tankfüllung mehr Reichweite als mit einer Akkuladung, obwohl ein beträchtlicher Teil der Energie der Tankfüllung in Wärme statt in Bewegung umgewandelt wird.

Klima- und Umweltschutz

In Bezug auf den Energie-Aspekt können wir also schließen, dass Elektroautos die Energie, die in sie investiert wird, sehr effizient nutzen. Das ist in Sachen Klimaschutz im Vergleich zu Verbrennungsmotoren ein Vorteil, solange man die elektrische Energie zur Aufladung nicht ausschließlich aus Kohlekraftwerken alter Bauart gewinnt. Die Produktion von
Elektroautos verschlingt zwar mehr Energie als die von Autos mit Verbrennungsmotor, was in der Bilanz jedoch durch den geringeren Ausstoß im Betrieb ausgeglichen wird. Das gilt vor allem dann, wenn besagte Energie zur Produktion aus erneuerbaren Quellen
gewonnen wird.
Betrachtet man den Umweltschutz etwas weiter gefasst, haben Elektroautos jedoch eine Schwäche: Sie benötigen Lithium, das unter beträchtlichen lokalen Umweltschäden unter anderem in Bolivien, Chile, Argentinien und China abgebaut wird. Eine deutliche Steigerung der Produktion von Elektroautos, wie von manchen deutschen Politikern gefordert,
würde zur Erschließung weiterer Vorkommen führen und diese Problematik zusätzlich anheizen.

Anwendungsbereich

Während die reduzierte spezifische Energie von Akkus im Vergleich zu Treibstoffen bei Pkws schlicht und einfach in einer Reichweitenreduzierung resultiert, kann sie bei Fahrzeugen mit höherem Energieverbrauch weit hinderlichere Auswirkungen haben. Im Sauerland verwendet man zahlreiche schwere Fahrzeuge, sei es in der Landwirtschaft, dem Baugewerbe, der Industrie oder der Logistik. Würde man bei diesen hohen Anforderungen an das Leistungsvermögen der Fahrzeuge Elektroantriebe einsetzen, so wären die Akkus sehr schnell entleert. Zugleich könnte man aber auch nicht einfach mehr Akkus verbauen, da dies das Gewicht der Fahrzeuge zu sehr erhöhen würde. Zudem zöge auch hier der steigende Bedarf an Lithium äußerst negative Folgen nach sich. Solange es für diese grundsätzliche Problematik keine technischen Lösungen gibt, müssen wir Sauerländer und alle anderen Mittel- und Hochgebirgler darauf hoffen, dass auf politischer Ebene der gedankliche Kurzschluss vermieden wird, den Verbrennungsmotor gesetzlich verbannen zu wollen. Bei normalen Autos dagegen reicht die Reichweite aktueller Elektrofahrzeuge für den alltäglichen Bedarf der meisten Sauerländer wohl heute schon aus – abgesehen vielleicht von Menschen, die Hunderte von Kilometern weit pendeln müssen. Wichtig ist es hierbei, den Winter zu berücksichtigen: Während Verbrennungsmotoren als Nebeneffekt Wärme produzieren, die man zum Beheizen des Autos nutzen kann, muss in einem Elektrofahrzeug im Winter Energie aus der Batterie abgezapft werden, um sowohl Motor als auch Innenraum aufzuwärmen. Der Bedarf an zusätzlicher Energie bzw. Akkuleistung reduziert die Reichweite. Wer weit pendelt, sollte deshalb, falls er nicht beim Verbrennungsmotor bleibt, die Anschaffung eines Elektroautos mit Wärmepumpe erwägen, um nicht vom Sauerländer Winter ausgebremst zu werden. Diese macht das im Winter auch im Auto notwendige Heizen effizienter und nähert damit die Reichweite wieder
dem normalen Wert des Fahrzeugs an.

Gesundheit

Eines der beliebtesten Argumente für Elektroautos in den Medien ist, dass sie keine Stickoxide und kaum Feinstaub ausstoßen. Dieses Argument ist für das Sauerland aber im Grunde so gut wie irrelevant, da wir, abgesehen vielleicht von extremen Verkehrsereignissen mit Stau und stockendem Verkehr, so gut wie immer unter allen relevanten Grenzwerten bleiben. Dennoch muss natürlich festgehalten werden, dass Null-Emission immer besser ist als das reine Einhalten von Grenzwerten.

Fazit

Das Elektroauto hat definitiv nicht von der Hand zu weisende Vorteile und ist eine vielversprechende Technologie. Eine flächendeckende Einführung sollte jedoch wegen des Lithiumbedarfes, aber auch, weil manche Vorteile primär in der Stadt zur Geltung kommen, keine politische Priorität genießen. Ob man sich auf dem Land ein Elektroauto zulegen will, sollten Privatleute anhand ihrer Bedürfnisse entscheiden. Hinsichtlich der Zukunft bin ich der Meinung, dass das Elektroauto nicht als Universallösung gesehen werden kann, sondern als Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets. Es wird daran geforscht, Treibstoffe für Verbrennungsmotoren nicht mehr aus Erdöl, sondern zum Beispiel aus Holz herzustellen.
Vielversprechend ist auch die Idee der künstlichen Photosynthese, also das direkte Nutzen von Sonnenlicht, um weniger energiereiche Stoffe chemisch in Treibstoffe umzuwandeln. Mit derartigen Technologien würde der Verbrennungsmotor viel umweltfreundlicher und ließe sich angesichts seiner unbestreitbaren Vorzüge weiterhin nutzen. Man könnte also das Elektroauto in Bereichen einsetzen, wo seine Vorteile wirklich zum Tragen kommen, während für andere Anwendungen weiterhin Verbrennungsmotoren genutzt würden. Problematische Aspekte wie der Verbrauch des wenig umweltfreundlich abzubauenden Lithiums oder die Leistungsanforderungen an große und schwere Fahrzeuge zeigen: Man muss dieses so wichtige Thema weit differenzierter beurteilen als rein danach, ob ein Fahrzeug einen Auspuff hat oder nicht.
von Torben Halbe