“Die Arbeit mit den Künstlern hat unser Leben verändert“

Foto: Klaus-Peter Kappest

von Ursula Wiethoff-Hüning

Kellermanns leben für ihre Kunst

Das „kunsthaus alte mühle“ in Schmallenberg ist mittlerweile in der Künstlerwelt von Bedeutung und eng mit dem Namen Kellersmann verbunden: Christiane und Carl Kellersmann haben die alte Lennemühle zu neuem Leben erweckt, indem sie eine atmosphärisch einzigartige Galerie schufen und hier auch mit Künstlern und Kunstinteressierten in den Dialog treten.

Die Sauerländer begegneten uns offen

Dabei lag diese Entwicklung gar nicht auf der Hand. Carl Kellersmann nimmt Ende der 70er Jahre eine Stelle in der Finanzabteilung bei Falke an, so dass die Eheleute – sie gebürtig aus Lippe, er aus dem Emsland stammend – mit ihren Kindern nach Schmallenberg umziehen. Sie werden mit offenen Armen aufgenommen. Christiane Kellersmann erinnert sich an diese erste Zeit ganz genau: „Die Nachbarn kamen auf uns zu und waren unheimlich nett, luden uns direkt zu einem großen Topf Suppe ein. Die Sauerländer begegneten uns offen, mit Herzlichkeit, und einer gesunden Neugierde und auf eine ganz liebenswerte Art.“
Christiane Kellersmann kümmert sich in den nachfolgenden Jahren intensiv um die Familie und engagiert sich immer wieder in Schmallenberg, so dass sich die Familie nach einigen Jahren richtig heimisch fühlt im Sauerland. Nur mit der Schützenfesttradition werden die Eheleute nicht so recht warm, „68er Generation und Schützenfest, das passt nicht zusammen“, bemerkt Carl Kellersmann und fügt schmunzelnd hinzu, dass seine drei Kinder später jedoch umso überzeugter in den Schützenverein eingetreten seien und das
Verhalten der Eltern durchaus kritisch gesehen hätten. Als die Kinder älter werden und sich für Christiane Kellersmann neue Freiräume ergeben, studiert sie Innenarchitektur und übernimmt erste Aufträge im Schmallenberger Raum. Sie fühlt sich auf einem guten Weg. Doch dann kommt die Idee mit dem Kunsthaus!

Foto: Walter Schulte

Foto: Walter Schulte

Hier muss wieder Kunst rein

Die ersten Überlegungen seien unvorbereitet und naiv gewesen, erinnert sich Christiane Kellersmann an das Jahr 2001, als sie im Atelier der damals unbewohnten alten Mühle gestanden habe. „Das ist kein Wohnhaus, hier muss wieder Kunst rein!“, sei ihr Gedanke gewesen.

Immer ist Hermann präsent

Der Schmallenberger Maler Hermann Falke hatte sich die alte Lennemühle (früher Korn- und Ölmühle des Klosters Grafschaft) 1973 als Bleibe, Atelier und Galerie mit viel Aufwand hergerichtet. Wohl auch inspiriert durch die besondere Atmosphäre der Mühle entstand hier ein Großteil seiner Bilder. Nach dem frühen Tod Falkes 1986 übernimmt Paul Falke, Chef des Familienunternehmens Falke, das Haus und vermietet es. Jedoch wechseln die Mieter häufig, eine endgültige Lösung ist es nicht. 1993 erwerben die Eheleute Kellersmann die alte Mühle und machen in den nachfolgenden Jahren ähnliche Erfahrungen mit wechselnden Mietern.
Christiane Kellersmann kommt daraufhin der geniale Gedanke, das, was Hermann Falke mit der alten Mühle geschaffen hat, erhalten und wiederbeleben zu wollen, auch für Schmallenberg. Das wunderbare Fresko, das Falke im Musikzimmer gemalt hat, die schönen Türrahmen, das Treppengeländer oder der Steinfußboden im Fischgrätmuster machen das Haus einzigartig. Eindringlich beschreibt Kellersmann: „Immer, wenn ich in dieses Haus gehe, ist Hermann dort unglaublich präsent. Es ist eine tolle Atmosphäre; ich könnte hier wohnen und hätte immer das Gefühl, geborgen und gut aufgehoben zu sein.“ Nach der notwendigen Renovierung kann bereits im April 2002 die erste Ausstellung stattfinden, mit Bildern von Hermann Falke, Kunstwerken der in Attendorn geborenen Bildhauerin Gabriele Schulz und Arbeiten Helmut Gudbrods, freischaffender Künstler in Berlin. Die Entwicklung des Projekts „kunsthaus alte mühle e.V.“ gelingt, indem der Verein „Freundeskreis kunsthaus alte mühle“ und ein künstlerischer Beirat gegründet werden. Die Verbindung zu einigen Künstlern des Waldskulpturenweges erleichtern in der Anfangsphase den Kontakt zu weiteren internationalen Künstlern. So hat sich das Kunsthaus in den letzten 15 Jahren ständig weiterentwickelt, unterstützt von zahlreichen privaten und öffentlichen Sponsoren sowie den Mitgliedsbeiträgen des Freundeskreises. Längst ist es weit über die Grenzen des Schmallenberger Sauerlandes hinaus anerkannt.

Regionalkünstler bekommen eine Plattform

Drei bis vier Ausstellungen lassen sich pro Jahr realisieren und Bewerbungen von Künstlern kommen in großer Zahl. Der künstlerische Beirat legt bei der Auswahl der Künstler großen Wert auf eine ausgewogene Mischung. Bereits international gefragte Künstler werden genauso eingeladen wie einheimische – ganz im Sinne von Hermann Falke, dem es wichtig war, dass auch regionale Künstler eine Plattform bekommen. Für sie ist es eine große Anerkennung, beispielsweise nach einem international anerkannten Bildhauer wie dem August-Macke-Preisträger Michael Sailstorfer ausstellen zu können. Ein besonderes Merkmal ist zudem das Konzept, dass Besucher mit dem Ausstellenden über Workshops oder Gespräche in den Dialog treten. Dies wissen auch die Jugendlichen der Jugendkunstschule zu schätzen, die auf Initiative von Christiane Kellersmann 2011 gegründet wurde und die dem Kunsthaus angegliedert ist.

Die alte Mühle hat eine starke Ausstrahlung

Die Kellersmanns folgen der Maxime, jeden Künstler intensiv persönlich kennenzulernen. Im Erstkontakt wird immer auch ausdrücklich auf den besonderen Ausstellungsort hingewiesen. Die alte Mühle hat eine starke Ausstrahlung und quasi ein Eigenleben, womit die Künstler erstmal klarkommen müssen. Zudem gibt es nicht einfach glatte, moderne Betonwände, die steril sind und an denen nur das Kunstwerk im Vordergrund steht. Es kann unter Umständen zu einer Konkurrenzsituation kommen zwischen Künstler und Haus. Das Haus kann die Werke des Künstlers jedoch auch unterstützen. Bei dieser Herausforderung hilft Christiane Kellersmann als Kuratorin mit viel Erfahrung, so dass die Künstler den Ausstellungsort letztendlich sehr schätzen lernen.
Auf die Frage hin, welche Ausstellungen ihr am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben seien, muss Christiane Kellersmann nicht lange überlegen. Die vier Ausstellungen, die sie mit Bildern von Hermann Falke gemacht hätten, seien ganz besonders gewesen, denn man habe gespürt, dass die Werke an diesen Ort gehörten.
Für Schmallenberg sei die vom Kunsthaus im Jahr 2007 initiierte Ausstellung ein einmaliges Projekt gewesen, bei der die Wittener Bildhauerin Christel Lechner ihre „Alltagsmenschen“ in der Stadt platziert habe. „Die Kaufmannschaft hat das Projekt von Anfang an unterstützt. Schmallenberg hat sich in diesen drei Monaten verändert, die Leute haben gestrahlt und gelacht, jeder hat etwas damit anfangen können und dadurch ist das Kunsthaus endgültig angekommen und akzeptiert worden“, schwärmt Christiane Kellersmann noch heute. Wie viel man von Künstlern lernen kann, hat sie am Beispiel des in Meschede geborenen Bildhauers Ansgar Nierhoff erfahren können. Vor allem in Sachen Ausstellungsaufbau und Sichtachsen habe sie viel gelernt. Nierhoff unterrichtete seine Kunststudenten mehrere Tage in Schmallenberg und er sei ein hervorragender Pädagoge
gewesen.

Ich stehe vor einem Bild und betrachte es anders

Das Ehepaar Kellersmann empfindet den Umgang mit den Künstlern und ihren Werken als sehr große Bereicherung und Freude in ihrem Leben. Christiane Kellersmann beschreibt dies für sich so: „Die wichtigste Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass ich sehen gelernt habe. Ich stehe vor einem Bild und betrachte es ganz anders. Wenn ich spazieren gehe, sehe ich heute in einem Baum etwas ganz anderes, erkenne Gesichter, Formen in der Rinde oder den Wülsten. Die Arbeit mit den Künstlern hat mein Leben verändert, hat UNSER Leben verändert!“ Inzwischen steht das Kunsthaus nicht mehr nur für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst und die Förderung von Jugendlichen in der Jugendkunstschule, sondern auch für Musikveranstaltungen wie die Reihe „Jazz am Kamin“ und auch die integrative Zusammenarbeit mit Künstlern mit Assistenzbedarf. Diese Entwicklung ist nur möglich durch die gute und intensive Zusammenarbeit in einem Team engagierter Mitstreiter. Neben den Vorstandskollegen Elisabeth Feldhaus und Andreas Ermecke erwähnt Christiane Kellersmann hier besonders Beate Herrmann und Dr. Andrea Brockmann. Für den Bereich Musik sind das Jorinde Jelen und Tobias Schütte.
In diesem Sinne freuen sich Christiane und Carl Kellersmann mit dem Team vom Kunsthaus zunächst einmal auf die Zusammenarbeit mit der im März 2018 ausstellenden Künstlerin Irena Paskali und auf weitere spannende Projekte und Begegnungen in diesem und den nächsten Jahren.
Diesen und weitere Artikel finden Sie im aktuellen WOLL-Magazin für Schmallenberg, Eslohe und Umgebung und in der WOLL-App.