Die Geschichte des Esloher ”Igel“-Bratens

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Vor einem halben Jahrhundert hat der Metzger Hubert Schulte eine neue Spezialität erfunden. Der Name führte damals beim Tierschutzprofessor Bernhard Grzimek zu ganz unnötigen Sorgen.

Die jungen Kuhhirten des Sauerlandes hatten in alten Zeiten das Privileg, in der Glut ihrer Feuerstellen die frühesten Kartoffeln zu garen. Später wurde dies an Lagerfeuern zu einer verbreiteten Übung. Vor einem halben Jahrhundert kam dem Esloher Fleischermeister Hubert Schulte (1923–2009) dabei eine folgenreiche Idee: Er legte vor seiner Jagdhütte auch eingepackte Hackfleisch-Bällchen mit in die Glut. Das schmeckte allen sehr gut und wurde fortan zum festen Bestandteil so manchen Beisammenseins, zunächst in kleinen Runden oder bei Jagdgesellschaften.
Die neue Spezialität erhielt – passend zur länglichen Form – den Namen „Igel“. Weil sie privat so viel Anklang fand, stand schon bald fest: „Das bieten wir auch im Laden an!“ Die früheste Variante des „Igel“-Bratens hatte noch einen Schönheitsfehler. Da er nur in ein Pergamentpapier-Säckchen eingehüllt war, bildete sich eine verkohlte Außenschicht. Als Schulten begannen, die „Igel“ in Alu-Folie einzupacken, ließ sich der saftige Braten nun auch samt schöner Kruste genießen.

Das echte Stacheltier als Mahlzeit

Der heimatkundlich versierte Apotheker Rudolf Franzen weiß den Hintergrund des Namens „Igel“ zu erläutern. Bei den sogenannten „Fahrenden“ – Sinti, Roma oder den sauerländischen „Kötten“ – gehörte das Fleisch des Stacheltieres seit alters her zum Speiseplan. Eigens abgerichtete Hunde suchten die Tiere, deren Jagd sonst niemanden interessierte. Die erlegte Beute wurde samt Stachelkleid in nassen Lehm eingepackt und langsam in Feuersglut gebacken.
Wenn man den gebrannten Lehm-Mantel später zerbrach, blieb der Stachelpanzer in der entfernten Hülle hängen: Das Mahl war bereitet. Bremscheider ungmänner folgten einmal der Einladung ans Lagerfeuer der „Fahrenden“ und kosteten den Igelbraten mit Genuss.

Ein beinahe fogenschweres Missverständnis

Ein denkwürdiges Kapitel in der Geschichte des Esloher „Igel-Bratens“ hat sich Anfang der 1970er Jahre abgespielt. Mitarbeiter des WDR kamen ins Dorf, um mit der 1. Mannschaft des BCE Fußball zu spielen. Nachher gab es bei Wiethoffs Hütte ein ‚Igel‘-Essen am Lagerfeuer. Die WDR-Leute waren neugierig und glaubten tatsächlich, es würden richtige Igel gebacken. Hubert Schulte sen. (geb. 1923) beantwortete alle Fragen mit dick aufgetragenem Jägerlatein: „Wegen der großen Nachfrage brauchen wir für die Igel-Jagd einen ganzen Schwung dressierter Spürhunde. Nachts lassen wir die Hunde los, und morgens legen sie ihre Beute vor unserer Wurstküche ab.“ Dieser Scherz sollte nicht folgenlos bleiben: Unter den WDR-Mitarbeitern war man empört. Der berühmte Tierschützer Prof. Bernhard Grzimek, damals allen Fernsehzuschauern bekannt, wurde informiert. Sein Büro ließ im Esloher Amtshaus nachfragen. Erst jetzt konnte alles aufgeklärt werden. Diese Geschichte hat noch einen besonderen Hintergrund, denn Prof. Grzimek (1909–1987) wurde schon während seiner Schulzeit mit dem Spitznamen „Igel“ bedacht und hatte den Igel entsprechend zu seinem „Wappentier“ erkoren.
Seit einem halben Jahrhundert stellt die Fleischerei Schulte die vom Großvater des jetzigen Firmeninhabers erfundenen „Esloher Igel“ her. 2017 hat der Fleischerverband NRW dem 1913 begründeten und heute von Philipp Schulte in vierter Generation geführten Betrieb für die „Original Esloher Igel: feinste Hackfleischzubereitung, in Alufolie gegart“ die „Auszeichnung in Gold“ verliehen. Es ist also in jeder Hinsicht bestens bestellt um die Esloher „Igel“! (pb)