Trotz Jugendtraining, Eltern-Kind-Turnier und Generationen-Cup: Tennis-Boom im Sauerland ist vorbei

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Boris Becker gewann 1985 zum ersten Mal Wimbledon. Am 28. Januar 1991 hatte er es an die Spitze der Tennis-Weltrangliste geschafft. Steffi Graf holte zwischen 1987 und 1999 insgesamt 22 Grand-Slam-Titel. 377 Wochen war sie die Nummer eins der Weltrangliste. Die beiden deutschen Tennis-Asse sorgten in den 80ern für einen Boom bei den Vereinen, auch im Hochsauerlandkreis. Mittlerweile sind es andere Zeiten, denn die Tennis- Vereine haben an Mitgliedern verloren.
Der TC Meschede, der 1909 gegründet wurde, hat eine wunderschöne Anlage mit acht Plätzen am Hennesee. Das bestätigen auch immer wieder die gegnerischen Mannschaften, wenn sie zu den Meisterschaftsspielen nach Meschede kommen. Allerdings finden gar nicht mehr so viele „Medenspiele“, also Mannschafts-Saisonspiele, auf den Plätzen statt. Der TC Meschede hat nur noch fünf Teams, die in einer Liga vertreten sind: Damen, Damen 40, Herren 40 und Herren 55. Dazu kommen noch die Spielerinnen der „Vormittagsrunde“. In den 80er Jahren, als der Tennis-Sport boomte, hatte der TCM zu Spitzenzeiten 450 Mitglieder, heute sind es noch 216. Tennis ist nicht mehr so angesagt, außerdem kämpfen die Vereine mit Konkurrenzangeboten. „Die Kinder heute haben so viele Hobbys: Fußball, Reiten, Schwimmen, Gitarreoder Keyboardspielen“, sagt der erste Vorsitzende des TC Meschede Klaus Burmann. „Und dann sind viele Kinder bis nachmittags in der Schule, das bekommen wir Vereine zu spüren.“ Immerhin 60 Kinder und Jugendliche werden aktuell von Cordula Schauerte und Martin Lengefeld trainiert, fünf Jugendmannschaften gibt es.
Für die Nachwuchs-Tennisspieler in Meschede existiert das Top-Spinner-Konzept, das der Verein dank Sponsoren anbieten kann: Kinder zahlen ein Jahr lang keinen Mitgliedsbeitrag, wenn sie beim TCM trainieren. So können sie erst mal gucken, ob Tennis was für sie ist. Problem des TC Meschede ist aber wie bei vielen anderen Vereinen auch, dass viele Jugendliche nach der Schule zum Studieren weggehen. Wenn man Glück hat, kommen sie nach 20 Jahren zurück. Aber so fehlt vielen Clubs die Altersklasse der 20-bis-35-Jährigen. Klaus Burmann erinnert sich an seine eigene Zeit als jugendlicher Tennisspieler. Wie er früher spätestens um 14 Uhr auf dem Platz war und spielte. Bis heute hat sich an seiner Tennis-Leidenschaft nichts geändert. Wenn seine Schulter mitspielt, steht er im Winter vier Stunden die Woche auf dem Platz, im Sommer sind es noch mehr. Aber so eine Vereinsbindung gibt es laut dem Vorsitzenden, der seit 31 Jahren außerdem Sportwart ist, nicht mehr oft.
Das empfindet auch der Geschäftsführer Roland Hinkel so: „Viele Mitglieder wollen spielen und hinterher vielleicht noch ein Wasser oder ein Bier trinken. Aber dann sind sie auch froh, wenn sie nach Hause können.“ Dabei hat man als Außenstehender das Gefühl, der TC Meschede sei ein lebendiger Club. Events wie Generationen-Cup, Kartoffelbraten, Saison-Eröffnungs-Turnier oder die Fahrt zu den Gerry-Weber-Open nach Halle finden mehr oder weniger regelmäßig statt. „Allerdings stehen Zuspruch und Aufwand in keinem Verhältnis“, beklagt der Vorstand. „Früher haben wir einen Bus mit 50 Sitzen vollgekriegt, wenn wir nach Halle gefahren sind. Heute haben wir Mühe, einen kleinen Bus mit 23 Plätzen zu besetzen“, erzählt Klaus Burmann.

40 Jahre Tennishalle

Beim Jubiläum „40 Jahre Tennishalle“ hat sich aber doch gezeigt, wie viele Leute mit Herzblut dabei sind. Der Verein hatte für die Jubiläumsfeier ein tolles Programm auf die Beine gestellt und das wurde belohnt. Viele aktive und auch passive Mitglieder trafen sich in der Halle. Es gab ein Show-Tennis-Match, eine Tanz- und Einradvorführung, für die Kinder wurde ein Heißluftballon aufgebaut. Bei Musik und Bierchen kam es zu vielen tollen Gesprächen und Begegnungen. Der Verein hat die Tennishalle 2016 in Eigenregie übernommen. Bevor der Deal über die Bühne gehen konnte, hatte der Club genau durchgerechnet, ob er sich das leisten kann. Dank einer Photovoltaikanlage auf dem Dach ging die Rechnung auf, denn die Einnahmen daraus sind bis 2030 gesichert. Mit der Auslastung ist man beim TC Meschede zufrieden: „Aber das ist natürlich noch ausbaufähig“, sagt Klaus Burmann.

Boris Becker in Sundern

26 Kilometer von Meschede aus weiter Richtung Westen liegt die Stadt Sundern, wo der Tennisclub Blau-Weiß seine Heimat hat. Der Club hat 387 Mitglieder und ist damit einer der größten Tennisvereine in Südwestfalen. Aber auch die Sunderner haben Mitglieder verloren: Vor 20 Jahren hatte der TCBW knapp 420 Mitglieder. Zu Zeiten, als die Herren in der Ersten Bundesliga spielten und Deutscher Mannschaftsmeister wurden (2003 und 2004), stieg die Zahl auf über 500 Mitglieder an. Unvergessen: die deutsche Davis-Cup-Begegnung auf der Anlage in Sundern gegen Weißrussland im Jahr 2003, als Boris Becker zum Team gehörte und ein Einzel spielte. Vielleicht profitiert der Sunderner Verein immer noch ein bisschen von der Glanzzeit, denn der TC hat im Winter immerhin elf Mannschaften gemeldet. Im Sommer sind es 15 Jugendmannschaften und 15 Erwachsenenmannschaften, dazu kommen noch die „Vormittags-Tennis-Damen“ und ein Herren-50-Doppel-Team. Die Mannschaften spielen zwischen der Kreisklasse und der Südwestfalenliga.
Der TC Blau-Weiß Sundern hat nach eigenen Angaben eine richtig starke Jugendabteilung. „Der Schlüssel zum Erfolg ist unserer Meinung nach die Förderung im Kinder- und Jugendbereich. Das ist die Zukunft unseres Vereins“, erzählt der erste Vorsitzende Frank Flügge. Über 150 Kinder und Jugendliche trainieren aktuell im Verein. Das Training wird vom Trainerteam Christoph Bade und Frank Wälter organisiert. Zusätzlich findet einmal in der Woche in Sundern ein Kadertraining für besonders talentierte Kinder und Jugendliche statt. Außerdem kooperiert der Verein mit den Grundschulen im Stadtgebiet, die regelmäßig von den Tennis-Trainern besucht werden. Sie bieten in den ersten und zweiten Klassen tennisspezifischen Sportunterricht an; anschließend werden die Kinder zu fünf kostenlosen Schnupperstunden eingeladen. Der Verein organisiert Jugendferienwochen, LK und Eltern-Kind-Turniere sowie ein Nikolaus-Turnier. „Der Zusammenhalt bei den Kids ist sehr gut. Da sind durch Training und Mannschaftsspiele viele Freundschaften auch außerhalb des Platzes entstanden“, freut sich der Vorsitzende.
Auch bei den erwachsenen Spielern wird laut Vorstand Gemeinschaft groß geschrieben. Treffpunkt ist das bewirtschaftete Clubheim, aber es finden auch außerhalb des Platzes immer wieder Veranstaltungen statt – Wanderungen, Besichtigungen oder Clubfeste. Wie der Vorsitzende des TC Meschede Klaus Burmann bestätigt auch
der Sunderner Vereinschef Frank Flügge, dass sich in der heutigen Zeit immer weniger Leute fest an einen Verein binden wollen. „Für die Sportvereine ist es schwieriger als vor 20 Jahren, Mitglieder zu gewinnen und zu halten. Das gilt auch für die Vorstandsarbeit. Es ist nicht mehr so einfach, Leute zu finden, die Aufgaben und Verantwortung übernehmen“, beklagt Flügge. Die Vereine sind realistisch genug zu wissen, dass sich daran wohl nichts mehr ändern wird. Die Zeiten, als jedes Kind wegen Graf, Becker und Co. Tennis spielen lernen wollte, werden nicht mehr wiederkommen.
von Nicola Collas