NS – Verbrechen sichtbar machen: Stadt Meschede arbeitet mithilfe des LWL die Geschichte des Friedhofs „Fulmecke“ auf

Eine Gedenktafel auf dem Waldfriedhof „Fulmecke“ soll an die Ermordung der 208 Zwangsarbeiter im März 1945 erinnern. Foto: LWL/Weidner

Meschede (lwl). Gedenken an 208 ermordete Zwangsarbeiter: Gemeinsam mit dem Volksbund und der Bezirksregierung will die Stadt Meschede unter Mithilfe des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) den Waldfriedhof „Fulmecke“ umgestalten – und damit in angemessener Form an die polnischen und russischen Toten erinnern, die während der Mord­aktionen der Waffen-SS und Wehrmacht im März 1945 umgebracht wurden. Grundlage für diese Pläne sind neue For­schungen des LWL in Münster.
„72 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wollen wir der ermordeten Menschen gedenken“, betont Bürgermeister Christoph Weber. Bisher gibt es keine Gedenktafel, die eines der größten Kriegsendphasen-Verbrechen in Deutschland sichtbar macht. Dies soll sich nun ändern. „Dank der Kooperation zwischen der Stadt Meschede und dem LWL wurden die Ereignisse vor Ort umfassend aufgearbeitet, damit diese schreckliche Tat nicht vergessen wird“, hebt LWL-Direktor Matthias Löb hervor. In aufwendigen Recherchen – unter anderem in britischen und amerikanischen Archiven – rekonstruierte Dr. Marcus Weidner, Historiker am Institut für westfälische Regionalgeschichte des LWL, neue Details zur Geschichte des Friedhofs „Fulmecke“. „Die Kriegsgräberstätte ist erinnerungspolitisch und historisch außergewöhnlich. Der Friedhof zeigt zum Beispiel den problematischen Umgang mit ausländischen Kriegstoten vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts und der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus nach 1945“, so Weidner. Ihm ist es unter anderem gelungen, 15 bisher unbekannte Namen der Ermordeten zu ermitteln.
Außerdem konnte Weidner nachweisen, dass nicht wie nach 1945 verbreitet 16, sondern 116 russische Kriegs­gefangene aus dem Ersten Weltkrieg auf dem Friedhof „Fulmecke“ begraben sind. Ein weiteres Forschungsergebnis: Im März 1945 starben 18 französische Kriegsgefangene vermutlich durch einen Angriff von US-Tieffliegern. Die Toten wurden in Meschede bestattet, später exhumiert und in ihre Heimatorte überführt. Im Übrigen liegen die Namenssteine der Zwangsarbeiter, die von 1942 bis 1945 auf dem Friedhof beerdigt wurden, nicht dort, wo sich die Grabstellen befinden. Zudem sind zahlreiche Gräber nicht gekennzeichnet. Ziel einer Umgestaltung soll es nun unter anderem sein, die Dimensionen des Sterbens sichtbar werden zu lassen.
Weidner schlägt unter anderem vor, den sowjetischen Obelisken an anderer Stelle aufzustellen. Die 1989 am Eingang auf­­gestellte Tafel sollte trotz ihrer falschen und die NS-Verbrechen verharmlosenden Inhalte beibe­halten werden. „Sie ist ein gutes Beispiel für den Umgang mit dem Nationalsozialismus noch 1989“, sagt Weidner und wünscht sich, dass diese Tafel an eine andere Stelle versetzt wird, damit sie eine neue Informationstafel, die sich in Planung befindet, nicht konterkariert. Aufgrund der besonderen historischen Bedeutung plädiert Weid­ner dafür, an den drei Tatorten der Exekutionen ebenfalls Tafeln aufzustellen, die über die Ereignisse an den Orten aufklären.
Neben der Neugestaltung des Friedhofes „Fulmecke“ ist im kommenden Jahr eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse geplant, die durch ein Online-Angebot, das unter anderem eine interaktive Karte enthält, ergänzt wird.
Meschedes Bürgermeister Christoph Weber begrüßt die Forschungsarbeit des LWL – sie liefere neue Erkenntnisse, die künftig im Umgang mit dem Friedhof Fulmecke eine wichtige Rolle spielen werden. Ziel sei es, dabei auf der einen Seite ein würdevolles und historisch angemessenes Gedenken an die dort bestatteten Menschen zu ermöglichen. Auf der anderen Seite müssen selbstverständlich die Vorgaben des Kriegsgräber- und auch des Denkmalschutzgesetzes berücksichtigt werden. Die Stadt Meschede hat bereits Gespräche aufgenommen, um hier gemeinsam mit weiteren Beteiligten wie dem Volksbund und den Fachbehörden ein schlüssiges Konzept zu erarbeiten.
Hintergrund
Auf dem Waldfriedhof „Fulmecke“ wurden im Ersten Weltkrieg vor allem Franzosen, Italiener und Belgier aus dem nahegelegenen Gefangenenlager, in dem neben Kriegsgefangenen auch Zwangsarbeiter untergebracht waren, beerdigt. Die Kriegsgräberstätte erhielt daher den Namen „Franzosenfriedhof“. Die meisten Toten wurden später exhumiert und in die jeweiligen Heimatorte überführt.
Während des Zweiten Weltkrieges diente der Friedhof als Begräbnisstätte für die in Meschede verstor­benen Zwangsarbeiter, die zum Teil die katastrophalen Arbeitsbedingungen nicht überlebten. Zwischen dem 21. und 23. März 1945 – kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges – verübten An­gehörige von Waffen-SS und Wehrmacht zwischen Warstein und Meschede eines der größten Kriegs­endphase-Verbrechen in Deutschland. Hans Kammler, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, ließ an drei Stellen im Arnsberger Wald 208 polnische und russische Zwangsarbeiter ermorden. Bei Eversberg erschoss und verscharrte das Exekutionskommando auf einer Wiese 80 Zwangsarbeiter. Im Langenbachtal bei Warstein wurden weitere 71 Menschen umgebracht. In der Waldgemarkung „Im Stein“ bei Suttrop erschoss ein Kommando 57 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.
Das Verbrechen auf der Eversberger Wiese blieb zunächst geheim. Im November 1946 erhielt die eng­lische Militärbehörde einen anonymen Hinweis. Die Toten wurden unter Aufsicht der Alliierten Ende März 1947 exhumiert und auf dem Waldfriedhof „Fulmecke“ beigesetzt. Von den Morden bei Suttrop und Warstein erfuhren die amerikanischen Truppen schon unmittelbar nach der Befreiung. Der Komman­dant befahl daraufhin ehemaligen NSDAP-Mitgliedern aus beiden Orten, die Leichen zu exhumieren. Die gesamte Bevölkerung einschließlich der Kinder musste an den Toten vorbeiziehen. Danach wurden die Leichen wiederum von den ehemaligen „Parteigenossen“ an Ort und Stelle be­stattet. Um die deutsche Bevölkerung über dieses Kriegsverbrechen zu informieren, fotografierten und filmten die Amerikaner den gesamten Vorgang.
Im Jahr 1964 bettete man die ermordeten Zwangsarbeiter aus Suttrop und Warstein auf den Wald­friedhof „Fulmecke“ in Meschede um. Hierbei konnten, wie schon 1947, einige Leichen identifiziert werden, dennoch setzte man diese am neuen Grabort anonym bei. Wie die Recherchen von Weidner ergeben haben, wurden bei der Umbettung in Suttrop sieben Leichen nicht gefunden. Er vermutet sie deshalb noch heute dort.