Als die Preußen kamen und nach der Wildsau fragten …

Foto: S. Droste

66 Jahre „Wildsau-Tradition“ in Remblinghausen

In Remblinghausen dreht sich vieles um die Wildsau. Und das seit 1951. Damals verspeisten hochdekorierte Fußballer aus Münster eine leckere Sau, die sie als „Gage“ für ihr Gastspiel in Remblinghausen erhielten. „Durch den Fußball sind wir das Wildsau-Dorf geworden“, erzählt Ortsvorsteher Michael Stratmann. „Die Wildsäue, diese starken und selbstbewussten Tiere, schaffen Identifikation über den Fußball hinaus.“ Für Berni Bange, eine „Institution“ im Dorf, lange Jahre Spieler, Geschäftsführer und Ehren-Vorsitzender des FC Remblinghausen, ist es eine Ehre, zu den „Wildsäuen“ zu gehören. „Das erfüllt mich mit Stolz.“
Bange weiß, wovon er spricht. Der 76-Jährige war auch Vorsitzender des Heimat- und Verkehrsvereins und Karnevals-Sitzungspräsident. Er kennt die Geschichte und Mentalität des Dorfes, das in diesem Jahr 775 Jahre Remblinghausen feiert und natürlich auch die 66-jährige „Wildsau-Epoche“. „Einige erzählen, dass früher viele Frischlinge über den Sportplatz gelaufen sind. Das mag vielleicht sein, man hat das eine oder andere Tier auch gesichtet. Aber daher kommen die Bezeichnungen Wildsau-Elf und Wildsau-Dorf nicht. Das hängt vielmehr mit dem Gastspiel von Preußen Münster 1951 zusammen.“

Foto: S. Droste

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In der Chronik zum 75-jährigen Jubiläum des 1920 gegründeten FC Remblinghausen ist zu lesen, dass die Preußen, die einige Wochen zuvor im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft vor 100 000 Zuschauern in Berlin mit 1:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern verloren hatten, aber immerhin und sensationell Deutscher Vizemeister wurden, bereit waren, in Remblinghausen gegen den FC zu spielen. Voraussetzung: Als Gage müsse eine Wildsau her, die nach dem Spiel verspeist werden soll. „Die werdet Ihr bekommen“, ließ der damalige Vorsitzende Hubert Büenfeld seine Freunde in Münster wissen. Der (mündliche) Vertrag stand, die hungrigen Preußen kamen und fragten, bevor die sie Fußball-Stiefel geschnürt hatten: „Wo ist die Sau?“ „Die Wildsau kommt“, antworteten die FC-Verantwortlichen. Das Spiel begann, die Sau war aber nicht da! Büenfeld wurde unruhig, der Vertrag musste erfüllt werden. Und tatsächlich: Es wurde eine Wildsau aufgespürt und zunächst in einem Loch lebend gefangen gehalten. „Die Wildsau ist da“, wurde Büenfeld informiert. Die Erleichterung war spürbar, das „Bankett“ nach dem Spiel ein großer Erfolg. Der leckere und labende Wildsau-Schmaus ging in die Geschichte ein. Seit dieser Zeit tragen die FC-Fußballer das Emblem mit der Wildsau auf ihren Trikots. „Dennoch ist es auf den Fußall-Feldern des Sauerlandes nicht so, dass sich die gegnerischen Mannschaften und deren Freunde auf die Bäume retten, wenn die Wildsäue aus Remblinghausen auf dem Platz erscheinen“, heißt es in der Chronik. Aber die Wildsäue sind seitdem untrennbar mit dem 1800 Seelen zählenden Dorf samt seiner 18 Kapellengemeinden verbunden.
Das weiß auch Ernst Halberstadt. Er ist Vorsitzender des FC, war früher ein brandgefährlicher Sturmtank und Torjäger. Er ist von der Wildsau-Tradition überzeugt, die auch schon die Jüngsten im Verein hegen, beispielsweise beim Sportgruß vor den Spielen. Der endet nicht etwa mit „Ball Hoi“ oder Ball Heil“, sondern „Wild-Sau“. „Wir sind heute ein kleiner, aber rühriger Verein, der wie die Wildsäue andere und eigene Wege geht. Wir sind einer der wenigen Vereine, der ohne Fusion oder Spielgemeinschaft zwei Senioren-Teams im Spielbetrieb hat, hinzu kommen zwei Damen-Teams. Wir sind immer noch ein großes Fußball-Dorf mitten im Sauerland, und das trotz Aschenplatz“, meint Halberstadt Aber der FC, besser das gesamte Dorf, 2003 und 2009 mit Landes-Silber beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ dekoriert, ist auf dem besten Weg mit viel Eigenleistung Abhilfe zu schaffen. Neben der Wildsau-Kampfbahn wurde ein wunderbares kleines Spielfeld mit Kunstrasen gebaut, das „Wildsau-Gatter“, auch und besonders für die jüngsten Fußballer, die „Frischlinge“. „Das hat die Dorfgemeinschaft mit Hilfe von Sponsoren und Spenden gestemmt“, meint Halberstadt, der akribisch am 100-jährigen Jubiläum 2020 arbeitet. „Unser Plan ist, dass dann die Wildsau-Kampfbahn mit Kunstrasen versehen ist. Der entsprechende Antrag ist gestellt. Natürlich wird sich der Verein entsprechend einbringen. Wir sind optimistisch.“
Foto: S. Droste

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Auch für Ortsvorsteher Stratmann ist klar: „Wir nehmen die Dinge selbst in die Hand und gestalten unsere Zukunft.“ „Remblinghausen 2020 – lebenswert für Alt und Jung“: So lautet der Anspruch. „Mit viel Eigenleistung und natürlich auch mit Fördergeldern haben wir auf diesem Weg einige Projekte in Angriff genommen wie die Renovierung der Schützenhalle, der Sägemühle, der Kirche, der 14 Nothelfer-Kapelle und den Bau des Wildsau-Gatters.“ Aktuelle Projekte sind die Umgestaltung des „P“ zur Pilger-Wander-Radraststätte und zum Dorf-Treff und auch der eben erwähnte Kunstrasen. Die Vorbereitungen für den Tag des Dorfes „775 Jahre Remblinghausen – Aus dem Dorf für das Dorf“ am 16. September auf der Jakobusstraße laufen auf Hochtouren.
Angesprochen auf die Zukunft des Wildsau-Dorfes wünscht Ernst Halberstadt, dass „wir weiterhin wie die Wildsäue in freier Wildbahn aktiv, rührig und neugierig sind und vieles anpacken“. Für Michael Stratmann ist es wichtig, „dass wir uns wie die Wildsäue kämpferisch für den Nachwuchs einsetzen und ihn verteidigen“. Berni Banges Zukunfts-Appell lautet: „Die Wildsau-Familie in unserem Ort muss eine verschworene Gemeinschaft der Generationen bleiben“. Eben: Remblinghausen 2020 – Lebenswert für Alt und Jung.
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Text: Paul Senske