„Ein Lauf wie im eigenen Wohnzimmer“

Wenn man seit 13 Jahren in Folge am FALKE Rothaarsteig-Marathon teilnimmt und es auch mit 62 Jahren nicht lassen kann, dann muss man ein großer Fan des sportlichen Wettbewerbs im Sauerland sein. Jedes Jahr aufs Neue nimmt sich Maria Rickert aus Wormbach vor: „Dieses Jahr ist es das letzte Mal!“ Doch auch in diesem Jahr schlüpft die Versicherungsfachangestellte am 21. Oktober wieder in die Laufschuhe, um die 838 Höhenmeter zu erklimmen, die es beim Rothaarsteig-Marathon zu bezwingen gilt. Auch Andreas Rörig aus Schmallenberg ist einer von mehr als 1.000 aktiven Läuferinnen und Läufern beim 14. FALKE Rothaarsteig-Marathon. Der 54-jährige Technische Kaufmann hat sich die Halbmarathonstrecke zum Ziel gesetzt und freut sich schon darauf, wenn er die 21,1 Kilometer lange Strecke durch die grandiose Landschaft am Rothaarsteig laufen kann. Im Interview mit WOLL erzählen die beiden ambitionierten Sportler über ihre Leidenschaft zum Laufsport.

Andreas Rörig und Maria Rickert. Hier am Teilstück „Latrop“.


WOLL: Waren Sie heute schon laufen?
Andreas Rörig: Nur aus dem Haus raus, mehr noch nicht.
Maria Rickert: Ich hatte gestern einen langen Lauf mit 26 Kilometern. Heute bin ich mit dem Fahrrad gekommen.
WOLL: Wann hat Sie das Lauffieber gepackt? Und wann sind Sie zum ersten Mal beim FALKE Rothaarsteig-Marathon mitgelaufen?
Andreas Rörig:
Meine Eltern hatten damals kein Auto, deswegen sind wir damals schon überallhin gelaufen. Mit dem organisierten Laufsport habe ich 2007 angefangen, als ich bei einem Lauftraining mitgemacht habe. Da habe ich zum ersten Mal gelernt, wie man richtig läuft, und alles zu den Themen Trainingsvorbereitung, Ernährung und Lauftechniken erfahren. Vorher bin ich bereits bei zwei Halbmarathons mitgelaufen, mit einer Zeit von 2:13 Stunden. Nach der Trainingsphase habe ich es in 1:45 Stunden geschafft – dazwischen liegen Welten. Seitdem laufe ich zielorientiert und bin seit 2004 beim FALKE Rothaarsteig-Halbmarathon jedes Jahr mit dabei.
Maria Rickert: Ich habe mein Leben lang gerne Sport gemacht. Vor zwanzig Jahren habe ich noch intensiv im Verein in Saalhausen Tennis gespielt. Hinter den Tennisplätzen war ein Lauftreff. Als ich einmal keinen Tennispartner hatte, bin ich spontan mit Tennisschuhen mitgelaufen und war überrascht, wie viel Kondition ich hatte. In dem Jahr, es war das Jahr 1999, habe ich mich auch erstmalig beim Silvesterlauf in Werl angemeldet. Als im Mai 2005 ein Lauftraining in Schmallenberg angeboten wurde, mit dem Ziel, am Halbmarathon in Fleckenberg teilzunehmen, war ich dabei. Da ich in dem Jahr 50 wurde, reizte es mich ungemein, den Marathon zu laufen, und ich habe es dann einfach gemacht. Seitdem bin ich jetzt jedes Jahr dabei gewesen.
WOLL: Was ist Ihr Wochenpensum? Haben Sie einen Trainingsplan oder laufen Sie immer nach Lust und Laune?
Maria Rickert:
Ich laufe nach einem Trainingsplan von Herbert Steffny, das ist ein Marathonläufer. Ich schätze die Zeit, die ich brauchen werde, realistisch ein und darauf ist der Trainingsplan ausgelegt. Das bedeutet, ich habe vier Trainingseinheiten in der Woche und immer einen langen Lauf dazwischen. Der fängt mit 20 Kilometern an und der längste Lauf ist 32 Kilometer in der Vorbereitungszeit.
Andreas Rörig: Bei mir ist es im Prinzip ähnlich, ich laufe auch viermal in der Woche. Dienstags trainieren wir immer in der Gruppe, was immer etwas gesteigert ist. Donnerstags trainiere ich etwa eine Stunde und am Wochenende mache ich zwei lange Einheiten, die jedoch auf Ausdauer angelegt sind.

Montags treffen sich die Läuferinnen und Läufer der Gruppe „Laufmasche“ auf dem Sportplatz in Schmallenberg und trainieren für den Marathon.


WOLL: Laufen Sie alleine oder in der Gruppe?
Maria Rickert:
Montags laufe ich immer in der Gruppe „Laufmaschen“. Wir sind meistens zwölf Läufer. Im letzten Jahr haben fast alle beim Marathon mitgemacht. Sie sind auch zusammen ins Ziel gelaufen. Allerdings laufe ich immer alleine, weil ich nicht in einer Gruppe laufen kann. Ich bin der Meinung, dass jeder seinen eigenen Rhythmus finden muss.
Andreas Rörig: Ich laufe auch in der Gruppe. Wir sind aber eher leistungsorientiert. Allerdings sind wir keine große Gruppe, denn es ist immer schwierig, alle zu motivieren. Wenn wir Pech haben, sind manchmal nur drei Leute da.
WOLL: Wie sieht ein typischer Wettkampftag bei Ihnen aus? Wann stehen Sie auf und was essen Sie vorher?
Maria Rickert:
Ich bin da ganz unprofessionell. Ich mache nichts anders und ernähre mich auch nicht besonders. Über solche Sachen mache ich mir keinen Kopf, aber ich weiß, dass man damit auch noch einiges erreichen könnte.
Andreas Rörig: Wenn lange Läufe anstehen, achte ich schon darauf, dass ich zwei Tage vorher viele Kohlenhydrate esse. Dann fülle ich die Speicher mit Nudeln, Thunfisch und ähnlichen Dingen auf. Vor dem Lauf reicht mir ein Brötchen, eine Banane und eine Tasse Kaffee. Und man sollte am Tag vorher viel trinken.
WOLL: Was ist Ihre Bestzeit?
Maria Rickert:
Meine Marathon-Bestzeit liegt bei 4:13 h, die Halbmarathon-Bestzeit bei 1:55 h und den Silvesterlauf mit 15 km bin ich in 1:15 h gelaufen.
Andreas Rörig: Beim Marathon sind es bei mir 3:29 h. Beim Halbmarathon 1:30 h. Den 10er bin ich in 39 Minuten und den 15er Silvesterlauf in 59 Minuten gelaufen.
WOLL: Woran denken Sie während des Rennens?
Andreas Rörig:
Ich versuche, mich komplett auf den Lauf zu fixieren und alles andere um mich herum auszublenden. Natürlich kommen auch manchmal extreme Motivationsprobleme hinzu, gerade bei den kritischen Stücken beim Halbmarathon. Auf den letzten sieben Kilometern ist es wirklich hart. Wenn man dann irgendwann den Stadionsprecher in Fleckenberg hört, ist man einfach nur erleichtert.
Maria Rickert: Beim Marathon hat man natürlich mehr Zeit, sich mit den Strecken zu beschäftigen, da bleibe ich auch bei jeder Verpflegungsstation stehen und spreche mit den Leuten. Ab Kilometer 25 habe ich immer einen toten Punkt, wo ich sehr mit mir hadere. Da denke ich mir oft: „Warum läufst du auch jedes Jahr hier mit? Du könntest genauso gut auf dem Sofa liegen!“ Wenn ich diesen Punkt überwunden habe, geht es aber wieder.

Die Laufgruppe von Andreas Rörig bereitet sich akribisch auf den Marathonlauf vor.


WOLL: Wie viel Ehrgeiz haben Sie, die Läufe in Bestzeit zu absolvieren?
Maria Rickert:
Ich bin kein ehrgeiziger Sportler, denn ich nehme nur aus Freude daran teil. Ob ich beim Marathon fünf oder zwanzig Minuten länger brauche, kann außer uns Läufern selbst sowieso kein Mensch einschätzen. Ich habe auch einfach zu spät angefangen, da kann ich keine Rekorde mehr brechen.
Andreas Rörig: Im Prinzip denke ich mittlerweile genauso, weil ich heute auch keine Bestzeiten mehr schaffe. Ich muss keinem etwas beweisen. Deswegen will ich beim nächsten Halbmarathon das Ganze auch einfach genießen.
WOLL: Was ist das Besondere am FALKE Rothaarsteig-Marathon?
Andreas Rörig:
Definitiv das Laufen im eigenen Wohnzimmer. Ich will es mal so beschreiben: Wir haben zuhause ja auch ein Wohnzimmer, aber ich fühle mich in diesem Wohnzimmer draußen einfach wohler. Ich gucke zum Beispiel überhaupt kein Fernsehen, ich gehe lieber raus an die frische Luft. Vor heimischer Kulisse zu laufen mit Leuten, die man kennt, das ist einfach das Schönste.
Maria Rickert: Die ganze Atmosphäre ist einfach toll. Das geht bei den Streckenposten los, die jedes Jahr an der gleichen Stelle stehen und sagen: „Ach, da bisse ja wieder!“ Das ist wie zuhause – wo hat man das schon? Beim Kölner oder Berliner Marathon kennt mich niemand. Die Stimmung in der Schützenhalle nach dem Lauf ist so familiär wie nirgendwo sonst. Alle sind glücklich, dass sie es geschafft haben, und alle sind mit Herzblut dabei. Auch die ganzen Zuschauer, die an der Strecke stehen, motivieren. Es ist erstaunlich, dass die Dörfer hier so mitziehen.
WOLL: Welche Tipps haben Sie für Marathon-Anfänger?
Maria Rickert:
Eine gute Vorbereitung ist für einen Marathon wichtig. Man sollte etwa zwei Jahre lang regelmäßig laufen, dann schafft man das auch. Allein sportlich zu sein, reicht meist nicht aus. Ein paar Laufkilometer sollte man schon gesammelt haben. Noch ein Tipp: In unserer Trainingsgruppe laufen wir die Marathonstrecke immer abschnittsweise ab, damit man die Strecke kennenlernt und ein Gefühl dafür bekommt. Das hilft.
Andreas Rörig: Generell sollte man gerne laufen und sich darauf freuen, alles andere macht keinen Sinn. Ich habe einen Bürojob und freue mich, wenn ich rauskomme und danach einen freien Kopf habe. Die Einstellung ist entscheidend. Daneben müssen natürlich auch das Training und die passende Ausrüstung stimmen. Gute Schuhe sind das Wichtigste überhaupt, daran sollte man auch nicht sparen.
Text: Stephy Kesting – Fotos: Klaus-Peter Kappest und Hermann-J. Hoffe