Köhlerwochen in Hirschberg

Von Uwe Nutsch
Hirschberg. Wenn der SGV Hirschberg
seine Köhlerwochen veranstaltet,
gibt es keinen Feierabend. Rund
um die Uhr müssen die ausgebildeten
Köhler die Meiler im Auge behalten.
Für eine Nacht geselle ich
mich zu ihnen – ob ich durchhalte?
Der Bericht im Minutenprotokoll:
21.30 Uhr: Ankunft
Pünktlich zur Nachtschicht trete
ich den Weg Richtung Wald an. Mir
begegnen schon die Klänge der
Twersbraken und ich entdecke ein
gut besuchtes Kohlenmeilergelände.
Trotz des eher schlechten Wetters
sind mindestens 500 Besucher
her gekommen.
21.50 Uhr: Vorstellung
Ich stelle mich den Köhlern als
Uwe, das Ferienkind für heute
Nacht, vor. Ich werde herzlich begrüßt,
kurz eingewiesen und bekomme
direkt ein heimisches Getränk
gereicht. Ob ich tatsächlich
die ganze Nacht dabei bleiben
möchte, werde ich gefragt: Na klar!
22 Uhr: Schichtwechsel
Die Tagesschicht übergibt an die
Nachtschicht. Sie besteht aus einem
Köhler und 2 Stiften (Auszubildende).
Im Hintergrund sind drei weitere
Köhler in der Ruhephase anwesend
und ich, das Ferienkind. Die
wichtigste Info für die Nacht: „Der
zweite Meiler hat noch mal
Schwung bekommen und muss intensiv
beobachtet werden.“
22.47 Uhr: Diagnose
Bisher läuft alles nach Plan
– keine besonderen Vorkommnisse.
Die Bierbude
ist auch nach dem Ende des
Twersbraken-Konzerts
noch gut besucht. Mir werden
weitere Details erklärt
und ich finde es nach wie
vor sehr spannend hier im Wald.
Das Wetter hält sich einigermaßen
und in der Nähe am Lagerfeuer lässt
es sich gut aushalten.
23.36 Uhr: Alarm
Der Meiler 2 ist an manchen Stellen
undicht geworden und wird mit
Stübbe neu abgedeckt. Man merkt
den drei verantwortlichen Köhlern
an, wie konzentriert sie die beiden
Meiler nicht aus den Augen verlieren.
Spätestens jetzt wird mir bewusst,
dass die Köhlerei ein anspruchsvolles
Handwerk ist, das gelernt
und gelebt werden muss. Gilt
es doch zu verhindern, dass einer
der Meiler in Flammen aufgeht.
Denn dann wäre all die Mühe umsonst
– und es bliebe statt Kohle nur
noch Asche übrig.
23.54 Uhr: Strunk
Es ist so weit: Ich muss den ersten
Köhlerstrunk in meinem Leben
trinken. Man sagt mir, er vertreibt
Angst und böse Geister
und hilft gegen allerlei Leiden
– ja dann, Prost!
0.23 Uhr: Arbeit
Es haben sich mehrere
kleine Löcher im Meiler 2
gebildet und müssen neu
abgedeckt werden. Meiler
1 kühlt bereits langsam ab und
dampft so vor sich hin. In der Köhlerhütte
ruhen bereits die drei anderen
Köhler, denn bereits um sechs
Uhr ruft deren nächste Schicht.
Eine Schicht dauert immer acht
Stunden.
1.13 Uhr: Fotos
Die Müdigkeit hält sich in Grenzen,
denn ich finde die Nacht immer
noch spannend. Von den
letzten Besuchern bekomme
ich noch den
einen oder anderen
gut gemeinten
Fotografentipp.
Und tatsächlich begebe ich
mich mal auf Fotosafari. Durch die
Kamera betrachtet bietet sich mir
hier ein ganz anderes Bild, das man
mit dem bloßen Auge so gar nicht
wahrnimmt.

Foto: Uwe Nutsch


2.19 Uhr: Smalltalk
SGV-Vorsitzender Stefan Bräutigam
und einige weitere Köhler, die
vorher Thekeneinsatz hatten, gesellen
sich zu uns ans Lagerfeuer und
berichten aus alten Zeiten. Ich höre
gespannt zu und stelle meine neugierigen
Fragen.
2.37 Uhr: Alarm II
Wieder haben sich einige Glutstellen
gebildet und müssen korrigiert
werden. Ich versuche mich erneut
an der bildlichen Dokumentation
und siehe da, schon sind die ersten
Akkus leer. Die Ersatzakkus liegen
in meinem Rucksack, der natürlicher
unglücklicherweise in der Köhlerhütte
liegt, wo die drei schlafenden
Kollegen ruhen.
3.05 Uhr: Hunger
Das komplette Gelände ist aufgeräumt
und die übrig gebliebenen
Köhler gönnen sich noch ein Bier –
ja, ich auch. Bei mir macht sich zum
Glück immer noch keine Müdigkeit
bemerkbar. Ich habe eher Hunger
und mache mich auf die Suche nach
Essen.
3.52 Uhr: Regen
Es wird nasskalt und ungemütlich.
Wir ziehen uns zurück in einen
Unterstand, weg vom warmen Lagerfeuer.
Der Heizstrahler in dieser
Hütte kann mit dem Lagerfeuer bei
weitem nicht mithalten. Wenig später
macht sich dann doch die erste
Müdigkeit bemerkbar. Ja, auch bei
mir. Aber: Die kalte Nässe ist viel
schlimmer.
4.32 Uhr: Kaffee
Es nützt Alles nichts, nun hilft nur
noch Kaffee um sich wach zu halten.
Mir wird klar, was hier geleistet
wird. Acht Stunden Dienst, dann
ein paar Stunden Schlaf – immer im
Wechsel, und das 14 Tage lang: Meinen
Respekt an die Köhler. Wenig
später wird der Himmel langsam
hell. Ich habe es tatsächlich geschafft
durchzuhalten.
5.40 Uhr: Wecken
Damit die Übergabe gleich stattfinden
kann, werden die schlafenden
Köhler geweckt. Ich selber freue
mich auch schon, dass es nicht
mehr lange dauert, meinen Schlafplatz
zu Hause einnehmen zu können.
Nach acht Stunden erlebe ich
die zweite Übergabe, dann trete ich
meinen Heimweg an. Auf dem Weg
zum Auto merke ich, dass ich wohl
von oben bis unten nach Qualm rieche.
Das ist mir aber egal, da ich eine
sehr interessante und spannende
Nacht hinter mir habe. Es hat sich
wieder gezeigt, dass es sich immer
wieder lohnt mal hinter die Kulissen
zu schauen.
Fotos: Uwe Nutsch