Neues zur „Friedenslandschaft Sauerland“

Während der Weimarer Republik gab es bedeutende Sauerländer, die vor einem neuen Krieg warnten und sich für die Demokratie einsetzten. Auch nach 1945 waren die pazifistischen Impulse an mehreren Orten sehr lebendig. Peter Bürger, seit 1980 Mitglied der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, hat 2014 eine Reihe „Friedenslandschaft Sauerland“ initiiert. Der erste gedruckte Band dazu ist dann vor einem Jahr im WOLL-Selbstverlag herausgekommen. Jetzt liegen im Dezember 2016 gleich zwei neue Bücher zur Reihe vor.

  1. „Sauerländische Friedensboten“

_friedensboten-cover-1Der erste Titel „Sauerländische Friedensboten“ erschließt über 20 Biographien von Frauen und Männern, die sich im 20. Jahrhundert für Frieden und Menschenrechte eingesetzt haben. Es fällt Licht auf ein breites Spektrum – mit Geschichten, die Mut machen. Katholische Sozialisten werden ebenso vorgestellt wie z.B. Vertreter der CDU-Vorläuferpartei „Zentrum“. Drei couragierte Rechtsanwälte aus den Kreisen Meschede und Olpe und der Arnsberger Probst Bömer mussten als Zentrums-Anhänger die hasserfüllte Hetze der Nazis ertragen. Der friedensbewegte „schwarze“ Zentrumspolitiker Franz Geuecke, geboren in Schmallenberg-Bracht, wurde im Konzentrationslager zu Tode gebracht. Bis heute gibt es in seiner Heimat noch kein öffentliches Zeichen, das an ihn erinnert.
Als die Nationalsozialisten die Juden verfolgten und ermordeten, verblieben die meisten Menschen im Land und auch in Südwestfalen in der Zuschauerrolle. Doch einige Sauerländer übten sich trotz Angst in mutigen Einsprüchen und zeigten menschliche Solidarität. Im Buch gibt es einen eigenen Forschungsbeitrag über solche Ausnahmegestalten. Der Buchdeckeltext bringt den gemeinsamen Nenner aller Kapitel so auf den Punkt: „Die Botschaft der nahen Vorbilder lautet: Versagt euch den völkischen Hetzern und der Kriegsmaschinerie: Sagt NEIN!“
Die meisten behandelten Persönlichkeiten kommen aus dem katholischen Milieu. Doch auf dem Buchumschlag sieht man den jüdischen Friedensarbeiter Gabriel Stern (1913-1983) aus dem Sauerland, der in Attendorn geboren und aufgewachsen ist. Er wanderte 1936 rechtzeitig nach Palästina aus und wurde Mitarbeiter des berühmten Martin Buber im „brit shalom“ (Friedensbund). Auch nach der Gründung des Staates Israel setzte er sich beharrlich für Frieden zwischen Juden und arabischen Muslimen ein. Dank der Forschungen von Hartmut Hosenfeld ist er heute nicht vergessen.
Der für 2017 vorgesehene Folgeband soll schwerpunktmäßig sauerländische Märtyrer aus der Zeit des Nationalsozialismus vorstellen. „Heimatstolz“ wäre berechtigt beim Blick auf diese besonderen Vorbilder, aber man sollte dann auch etwas lernen aus ihren Lebenswegen.
Bürger, P. (Hg.): Sauerländische Friedensboten. = Friedensarbeiter, Antifaschisten und Märtyrer des kurkölnischen Sauerlandes: Erster Band. Norderstedt 2016. [ISBN: 978-3-7431-2852-1; 524 Seiten; € 15,99]
Das Buch vereinigt Arbeiten von Peter Bürger, Dr. Ilse Eberhardt, Karl Föster (1915-2010), Paul Lauerwald (Eichsfeld), Werner Neuhaus, Dr. Wolfgang Regeniter, Dr. Erika Richter, Werner Saure, Dr. Reinhard J. Voß (Geleitwort) und Joachim Wrede ofm cap. In mehreren Kapiteln werden außerdem historische Quellentexte dokumentiert.

  1. „Sühnekreuz Meschede“: Massenmorde an Zwangsarbeitern und die lange Geschichte eines schwierigen Gedenkens

_su%cc%88hnekreuz-cover-htm-1Der zweite neue Buchtitel „Sühnekreuz Meschede“ handelt von einem unvorstellbaren Verbrechen aus der Zeit kurz vor Kriegsende und von einem langen Ringen um das Opfergedenken in der Kreisstadt Meschede. Im März 1945 ermordeten deutsche Militärs in Warstein, Suttrop und nahe Eversberg insgesamt 208 weibliche und männliche Zwangsarbeiter sowie zwei Kinder. Die unschuldigen Opfer der drei Massaker kamen aus „Russland“ und Polen. Der Arnsberger Historiker Jens Hahnwald hat jetzt anhand von Gerichtsakten der Jahre 1957/58 Hintergründe, Hergang und Nachgeschichte dieser „Endphase-Verbrechen“ im Sauerland für die Dokumentation gründlich untersucht.
Das dritte Massengrab zwischen Eversberg und Meschede wurde erst 1947 öffentlich bekannt. Mitglieder eines katholischen Männerkreises in Meschede errichteten zum Gedenken an die ermordeten Menschen ein hohes Eichenkreuz, das von Pfarrvikar Grumpe eingeweiht wurde. Doch junge Sauerländer, fanatisiert in den Schulen der Nazizeit, schändeten das „Sühnekreuz“ mit Feuer und Äxten. Bei einer Versammlung im Kloster hetzten auch unbelehrbare Nationalisten der älteren Generation. Das geweihte Kreuz musste über Jahrzehnte in einem Erdgrab versteckt werden und konnte erst 1981 öffentlich in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt ausgestellt worden. Die Mescheder Frauen und Männer aus der katholischen Friedensbewegung hatten noch ein halbes Jahrzehnt auf Angriffe antworten. Am Ende enthält auch diese Geschichte etwas Ermutigendes.
Heute ist das „Mescheder Sühnekreuz“ über die nahen Grenzen hinaus berühmt. Unlängst stand es im Mittelpunkt einer Dortmunder Westfalenausstellung. Die Sühnekreuz-Geschichte hat P. Bürger für das Buch dargestellt. Der älteste Bericht des lange angefeindeten Mescheder Schriftstellers Georg D. Heidingsfelder (1899-1967) wird erstmals vollständig dokumentiert.
Bürger, Peter / Hahnwald, Jens / Heidingsfelder, Georg D.: Sühnekreuz Meschede. Die Massenmorde an sowjetischen und polnischen Zwangsarbeitern im Sauerland während der Endphase des 2. Weltkrieges und die Geschichte eines schwierigen Gedenkens. Norderstedt 2016. [ISBN: 978-3-7431-0267-5; Paperback; 440 Seiten; € 14,90]