Ballonlehrer Andy Hennes: "Das ist Freiheit pur!"

Die Welt von oben sehen. Nicht durch eine Scheibe, etwa auf dem Sitz eines Flugzeugs, sondern ganz unmittelbar mit der Nase im Wind – dieses ganz besondere Gefühl gibt es wohl nur im Korb eines Heißluftballons. „Das ist Freiheit pur“, sagt Andy Hennes, der die Leidenschaft für diese Art des Luftsports schon vor zwei Jahrzehnten für sich entdeckte. Heute hebt der 56-Jährige regelmäßig von den verschiedensten Orten im Sauerland ab, um sich im wahrsten Sinne des Wortes treiben zu lassen – wenn der Wind es will, sogar bis nach Thüringen.WOLL Sauerland Ballon
Wer Andy Hennes und seine Lebensgefährtin Uschi Mützel in Sondern besucht, bekommt bereits im Treppenhaus einen handfesten Eindruck vom großen Hobby des Paares: Dort nämlich steht ein kompakter, 1 Meter x 1 Meter großer Ballonkorb für zwei Personen, der quasi nur auf seinen nächsten Einsatz wartet. „Wenn man erkennt, das Ballonwetter ist, sollte man auch fahren können“, erklärt Hennes schmunzelnd. Als der Luftsportler 1997 auf die Idee kam, den Ballonfahrerschein zu machen, war er 40 Jahre alt. Viele Jahre lang hatte er zuvor schon am Steuer von Segelflugzeugen, Motorfliegern oder Motorseglern den unterschiedlichsten Turbulenzen getrotzt und als Fluglehrer selbst viele Schüler ausgebildet. „Die Idee mit dem Ballonfahren kam auf, weil ich auf der Suche nach einem etwas ruhigeren Hobby war. Dass dieser Luftsport alles andere als ruhig ist und eher spannend und aufregend sein würde, hätte ich damals allerdings nicht gedacht“, erinnert sich der gebürtige Saalhausener. Aufregend ist vor allem der Umstand, dass sich die Insassen des Heißluftballons vollständig den Launen der Natur hingeben. Zwar checkt der Ballonpilot vor dem Start sehr sorgfältig Temperaturen, Windgeschwindigkeit, Bedeckungsgrad, Thermik, mögliche Niederschläge oder angekündigte Wetteränderungen, um etwaige Gefahrenlagen von vornherein auszuschließen. Nichtsdestotrotz ist es schlussendlich aber allein der Wind, der über Verlauf und Ziel der Reise entscheidet. In diesem Punkt hat der Ballonpilot nur wenig Einfluss: Steuerbar ist der Ballon lediglich durch das Steigen oder Sinken in verschiedene Höhen, das per Brenner geregelt wird. Je nach Höhenlage lassen sich dann unterschiedliche Windrichtungen nutzen.
Durchschnittlich 30 Ballonfahrten absolviert Andy Hennes pro Jahr – mit seiner Lebensgefährtin, mit interessierten Ausflüglern und natürlich mit seinen Schülern. Da der erfahrene Luftsportler über eine sogenannte Allgemeine Außenstarterlaubnis verfügt, ist er berechtigt, auch außerhalb der eigens dafür genehmigten Plätze zu starten. Ist der passende Platz gefunden, wird zunächst der Korb aus dem Anhänger geholt und aufgerüstet. Neben dem Korb für zwei Personen hat Hennes einen weiteren, der bis zu vier Personen fasst. Anschließend werden Gasflaschen vertäut, der Brenner montiert, Fluginstrumente befestigt, eine Brennerprobe gemacht und der Funkkontakt zum Verfolgerfahrzeug getestet. „Der Verfolger, der dem Ballon am Boden folgt und den Hänger zum Rücktransport des Ballons zieht, ist unverzichtbar. Schließlich kann der Ballonpilot vorher nicht wissen, wo er landet“, erklärt Uschi Mützel, die diesen Part oft übernimmt. Der Verfolger, im Fachjargon liebevoll „Erdferkel“ genannt, verfügt neben umfangreichem Kartenmaterial und einem Navigationsgerät auch über eine Funkverbindung zum Ballon, die dafür sorgt, dass der Verfolger den Ballon nicht aus den Augen verliert.
Ist der Korb startklar, wird er in eine liegende Position gebracht. 185 Kilogramm Gewicht, 25 Meter Länge und 26 Meter Durchmesser – das sind die Abmessungen der Ballonhülle, die den Vier-Personen-Korb von Andy Hennes zieht. Die Special-Shape-Hülle in Form einer riesigen Metten-Dose fasst rund 4.000 Kubikmeter Luft, wird in Windrichtung ausgelegt und vor dem Start mit dem liegenden Korb verbunden. Mit einem Aufrüstgebläse wird die Ballonhülle solange mit kalter Luft gefüllt, bis sie prall ist. Dann kommt der Brenner zum Einsatz, der langsam die Luft erwärmt, bis sich der Ballon plötzlich aufrichtet. Jetzt muss es schnell gehen: Die Passagiere müssen über den Korbrand steigen und ihre Plätze einnehmen. Ist die Sicherheitsleine gelöst, steigt der Ballon schließlich auf – in bis zu 8.500 Fuß Höhe. Wohin die Reise geht? Das entscheidet der Wind. „Von Warstein aus bin ich im Ballon schon einmal bis nach Thüringen gekommen“, berichtet Hennes. Der erfahrene Ballonpilot war mittlerweile auf 565 Fahrten rund 700 Stunden mit dem Ballon in der Luft. Die Menschen, die bei Andy Hennes im Korb waren, haben allesamt eins gemeinsam: Sie berichten von unvergesslichen Eindrücken. Dazu zählen nicht nur die Momente in luftiger Höhe. Zurück auf dem Boden nämlich wartet zum krönenden Abschluss der Reise die Ballon-taufe, bei der die Passagiere in den Adelsstand der Ballonfahrer erhoben werden. Traditionell wird dabei eine kleine Haar-strähne der Erstfahrer angezündet und anschließend mit Sekt oder Bier gelöscht. Schließlich gibt es noch eine kleine Portion Erde auf den Kopf – „denn die Erde ist es, auf die der Ballonfahrer heil zurückkehren möchte“, erklärt Hennes, bevor er die offiziellen Adelstitel der Neu-Adligen bekannt gibt. Die sind nicht selten sehr lang und haben immer einen gewissen Bezug zur kurz zuvor absolvierten Ballonfahrt. „Den Namen müssen die Neu-Adligen anschließend binnen 24 Stunden auswendig lernen“, sagt Andy Hennes alias „Raubritter Rübensau zum finsteren Schlammloch und Zitterheini zu Wuppertal“ mit einem Augenzwinkern.

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4.000 Kubikmeter Luft fasst die riesige Ballonhülle, die vor dem Start mit einem Aufrüstgebläse gefüllt wird.


von S. Clemens [Text] und C. Feldmann [Fotos]
 
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