Hasse schonn gehört?

Sauerländer Alltagssprache - Quaterkopp oder Labersack im Sauerland

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Frage:
Lieber Dr. Nürsel! Hasse schonn gehört, dass der Quaterkopp und der Labersack im Sauerland erfunden wurden? Dein Lutz aus Löllinghausen
Dr. Nürsel:
Jau, mein lieber Lutz. Die Schimpfworte Labersack und Quaterkopp stammen laut Auskunft führender Sauerländer Kommukationseksperten eindeutig von Lenne und Ruhr. Damit bezeichneten unsere eher einsilbigen Vorfahren all jene Zeitgenossen, die ein loses Mundwerk hatten und pro Tag mehr als drei Sätze sprachen. Meistens handelte es sich bei den sogenannten Quaterköppen um Auswärtige oder ähnliche Strauchdiebe, in meiner Familie hatte unser Tante Paula den Ehrentitel selbstredend (!) erworben. Ihre Geschichten begannen stets vor Adam und Eva, es kamen mehr Personen darin vor als in einem dicken Telefonbuch, und wenn sie anrief, mussten wir Mamma immer einen Beruhigungsschnaps bringen und ihr später das Abendessen aufwärmen.
Großonkel Fritz aus Sundern hingegen hatte eine schwere Quasselallergie und kriegte die Zähne nicht voneinander. Schon als Kind war er ein sehr stiller Typ und angeblich stammt das folgende bekannte Döneken aus seiner Familie: Bis zu seinem 12. Lebensjahr hatte Fritz noch kein einziges Wort gesprochen. Kein Mamma, kein Pappa, kein Hottehüh, kein garnix. Alle Sprechwerkzeuge waren laut Facharzt intakt, doch Fritz blieb stumm. Dann kann der Palmsonntag kurz nach seinem zwölften Geburtstag. Fritz saß – wie üblich – schweigend am Frühstückstisch und mümmelte ein Ei. Auf einmal ertönte seine Stimme, zum allerallerersten Mal: „Salz is alle.“ Seine Eltern brachen in Freudentränen aus und herzten und liebkosten ihren Jungen. „Kind, du liebes Kind! Wir dachten, du wärst stumm! Warum hast du denn vorher nie ein Wort gesagt?“ Darauf Fritz: „Weil sonnz immer genuch Salz da war, woll.“ Viel gesprächiger wurde Fritz übrigens auch später nicht, selbst für sein Ja-Wort bei der Trauung musste ein Gebärdendolmetscher mit am Altar stehen.

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Schimpfwörter aus der Sauerländer Alltagssprache


Die meisten Sauerländer sind natürlich keine schweigsamen Nieselprieme wie Onkel Fritz oder redselige Quaterköppe wie Tante Paula, unser durchschnittlicher LQ (Laber-Quotient) wird vermutlich irgendwo dazwischenliegen. Trotzdem scheinen wir Wortkargheit zu bevorzugen, sonst würden sich schließlich unsere Fachbegriffe zur Beschreibung verbaler Kommunikation nicht alle ein wenig abschätzig anhören, oder? Beispiele: „Hör auf zu quatern!“ oder „Der quasselt dir beide Ohren gleichzeitig ab!“ oder „Die issen ganzen Tach nur am Sabbeln dran zugange.“
Auch der Rest klingt immer ein wenig unwirsch. Die Nachbarn unterhalten sich nicht, sondern sind am Quärken zugange. Die Schwiegermutter redet nicht, sondern is den ganzen Tach nur am Schatern oder am Schräbbeln. Der unzufriedene Kunde an der Wursttheke weist nicht einfach höflich auf das lange blonde Haar im frischen Zwiebelmett hin, sondern er quätert oder remäntert: „Was is dat denn?“ Worauf Fleischereifachverkäuferin Birgit ihn anbölkt: „Sollich mir getz `ne Glatze rasieren, oder was?“
Eine löbliche positive Ausnahme bildet eines meiner Sauerländer Lieblingswörter: Das aus dem Plattdeutschen stammende küëren, klingt ausgesprochen etwa so wie küren und bedeutet einfach nur reden, schwatzen, plaudern. Küren klingt nach Heimat, nach Familientreffen in Onkel Gottfrieds Wohnstube, nach Mammas Strickkränzchen und gemütlicher Unterhaltung. Und daher, lieber Lutz, ist mir eigentlich egal, ob bei uns der Labersack erfunden wurde oder die Quaterköppe quatern: Ich küre hiermit küren zum offiziellen Sauerländer Wort des Monats, woll.
Übrigens: Ein Poster mit den schönsten Sauerländer Schimpfwörtern gibt es im WOLL-Onlineshop und vielen Sauerländer Buchhandlungen. Sogar in drei Größen und als Postkarte.