Die Orgel – Königin der Instrumente

Die Orgel - Sauerland

Die Orgel - SauerlandFür unsere Kreisstadt Olpe sind die nahenden Festtage ohne das Orgelstück „Der alte Zimmermann“ kaum vorstellbar. Woher das einstige Hirtenspiel mit seiner tänzerischen Weise kommt und warum es ausgerechnet bei uns erhalten wurde, ist nicht ganz geklärt. Fest steht, dass es in die Kirche gehört wie der Tannenbaum ins Wohnzimmer. Wenn der Organist zum Schluss der Messe dieses Lied spielt, dann ist für die Olper Weihnachten.

Klingende Seele

Tatsächlich ist die Orgel ja so etwas wie die klingende Seele der Kirche. Sie ist Protagonistin festlicher Atmosphäre, bewegt und berührt. Und das nicht nur zu Weihnachten, wenn die Gotteshäuser so voll sind wie an keinem anderen Tag im Jahr und die brausende und jauchzende Orgel die Besucher mit sich reißt: „O du fröhliche.“ Kein anderes Instrument ist so gewaltig, so komplex, so vielseitig und variierbar. „Es sind die ausgeprägten klanglichen und dynamischen Modulationsfähigkeiten, die die Orgel so besonders machen. Und damit die Gefühle, die sie mit ihrem Klang transportiert, von ganz leise und sanft bis zum majestätischen Tutti“, sagt Dieter Moers, Dekanatskirchenmusiker für das Dekanat Südsauerland.
Die-Orgel - WOLL-Magazin - Biggesee

Kunst und Technik

„Königin der Instrumente“: Viele großartige Komponisten haben das technisch erfindungsreichste, liturgisch wichtigste und in der Erscheinung eindrucksvollste Instrument dazu erhoben. Meist sieht man davon nur das Gehäuse mit einem Bruchteil der tatsächlichen Pfeifen. Dahinter verbergen sich Hunderte bis Tausende dicht aneinandergereihte weitere Metall- und Holzpfeifen, alle unterschiedlich in Größe und Bauart.
Keine Orgel gleicht der anderen, jede ist eine individuelle Verbindung von Kunst und Technik. Weil der Standort und die Akustik in jedem Raum anders ist. Und auch das Portemonnaie und die Stilwünsche der Auftraggeber. Dabei ist sie keineswegs nur ein sakrales Instrument. Auch in Konzertsälen spielt sie eine große Rolle. Ihre Geschichte ist über 2000 Jahre alt – mit weltlichem Ursprung.
Deutschland ist Orgelland. Rund 50.000 Orgeln gibt es hier. Und schätzungsweise 250 Orgelbaufirmen, davon zählen etwa die Hälfte zu den größeren. Orgeln aus Deutschland stehen überall in der Welt.
Vom Theater in die Kirche Wenn man so will, dann ist der eigentliche Vorläufer der Orgel die asiatische Mundorgel, bei der Bambuspfeifen in einem Windbehälter stecken und mit dem Mund angeblasen werden. Im 3. Jahrhundert v. Chr. nahm der griechische Ingenieur Ktesibios dem Menschen dann das Instrument aus der Hand und konstruierte ein Standinstrument, das den Wind durch einen Wasserantrieb bekam. Die Römer übernahmen die Orgel – inzwischen war das Wassergebläse durch einen Blasebalg ersetzt – und spielten sie am Thron des Kaisers, in ihren blutigen Arenen oder im Theater.
Mit der Völkerwanderung ging in Europa das Wissen um die Orgel verloren. Aber sie kam zurück: Als Geschenk eines byzantinischen Gesandten an Pippin den Kleinen, erster Frankenkönig „von Gottes Gnaden“. Von dort aus hielt sie Einzug in Klöster, Fürst- und Bischofssitze und entwickelte sich allmählich vom herrschaftlichen Statussymbol zum Kulturgut und zum Instrument der Kirche. Das ist sie bis heute. Ab dem 15. Jahrhundert erfuhr die Orgel in Funktionsweise und Aufbau wesentliche Veränderungen und erlebte dann, als eigentlich die bis heute maßgeblichen technischen Möglichkeiten erfunden und künstlerischen Voraussetzungen geschaffen waren, ihre große Blütezeit ab dem Barock. Mit großen Komponisten wie Buxtehude und schließlich dem Orgelkenner und -virtuosen Bach. Spielmann Gottes wurde er genannt, seine Musik „Das fünfte Evangelium“.

Vielfältige Orgellandschaft

Das Heilige Römische Reich mit seinen 300 deutschen Staaten war ein fruchtbarer Boden für die schönen Künste. So blühte eine große Vielfalt auch im Orgelbau. In den nördlichen Küstenregionen mit ihren fruchtbaren Böden und ihrem Reichtum beispielsweise entstand ab dem Spätmittelalter eine einzigartige Orgellandschaft. Forciert auch durch Luther, der Orgelmusik als Teil der Verkündigung sah. Bis heute bestimmen Regionalität, Tradition und Innovation die Entwicklung der Orgel. Und während sich die einen wieder für barocke Orgeln stark machen, entwickelte der schrille und hochvirtuose Cameron Carpenter jetzt eine digitale transportable Orgel.
Wer in Südwestfalen Orgelmusik genießen möchte, muss nicht weit fahren. Neben den Gottesdiensten setzen das ganze Jahr über Konzerte die hiesige Orgellandschaft in Szene. Und die ist durchaus abwechslungsreich und trägt die Handschrift unterschiedlicher Orgelbauer und Klangkonzepte. Orgeln im Dekanat Südsauerland sind erst um 1600 nachrichtlich belegt, waren aber wohl schon vor 1500 in Gebrauch. Heute gibt es im Kreis Olpe 134 bewirtschaftete Kirchen (71) und Kapellen (63), von denen zumindest jede Kirche eine Orgel hat. Sie werden von etwa 50 nebenberuflichen Organisten bespielt. Neben Dekanatskirchenmusiker Dieter Moers gibt es mit Thorsten Schmehr in Attendorn und Michael Baumhöver in Altenhundem drei hauptamtliche Kräfte.
WOLL hat sich rund um den Biggesee umgesehen und drei Kirchen besucht: die Pfarrkirche St. Georg in Neuenkleusheim, die Heilig-Geist-Kirche in Olpe und den Sauerländer Dom in Attendorn.

Unser Tipp nicht nur für die Weihnachtsferien: Das Orgelmuseum Borgentreich. Hier gibt alles rund um die Königin der Instrumente zum Anfassen und Ausprobieren. ➝ www.orgelmuseum-borgentreich.de

von B. Engel [Text] und G. Cramer [Fotos]

Authentizität in St. Georg, Neuenkleusheim

St-Georg-Neuenkleusheim

2 Manuale, 1.750 Pfeifen, 15 Register, mechanische Spiel- und Registertraktur


Sie ist wertvoll, eine der ältesten und eine der schönsten im Kreis. Und als solche das Highlight der hübschen, frisch renovierten Kirche mit ihrem Turm aus dem Jahr 1727 und dem Kirchenschiff von 1827. Die Orgel, die aufgrund ihrer Substanz und Geschichte einen hohen Rang in der Orgellandschaft Westfalens einnimmt, wurde 1663 gebaut und gehörte 140 Jahre lang dem Zisterzienserinnenkloster Drolshagen, bevor sie als Geschenk des hessischen Landgrafen 1804 eine neue Heimat in St. Georg fand. Erhalten ist der historische Oberbau, der Unterbau ist jüngeren Datums. 1830 erfolgte eine Erweiterung um eine Pedalklaviatur. Die für Dorforgeln gängige einmanualige Klaviatur wurde 1970 von der Werler Orgelbaufirma Stockmann um ein Brustwerk mit einem zweiten Manual erweitert, um mehr und vielfältigere Literatur spielen zu können. 2012 wurde das Instrument erneut von der Firma Mebold in Siegen restauriert und erhielt einen Keilbalg für die Luftversorgung.
Hier hört man eine historische Orgel in ihrer wirklichen Authentizität“, sagt Dieter Moers. „Technisch überholt, alles instand gesetzt und tadellos.“ Und weil das so ist, ist das Instrument im Orgelsommer quasi fest gesetzt.
Von der Orgelbank auf der Empore hinunter in die Kirche, den Altarraum immer fest im Blick, schaut Marianne Schulte. Seit über sechs Jahrzehnten ist die 76-Jährige hier die Organistin. Als junges Mädchen ist sie über das Klavier dazu gekommen. „Irgendwie darein gerutscht“, lächelt sie. Das Instrument hat sie nicht mehr losgelassen – und sie nicht das Instrument. Obwohl sie langsam ans Aufhören denkt. „Man hat immer eine Verpflichtung, aber die will ja keiner mehr eingehen.“ Sie weiß, dass es schwer ist, Ersatz zu finden. Und lässt einen verliebten Blick über ihre Orgel schweifen. „Man hat großen Respekt vor so einem Instrument. Aber auch viel Vertrauen.“

Klangschönheit in der Olper Heilig-Geist-Kirche

Heilig-Geist-Kirche-Olpe

3 Manuale (ein Koppelmanual), 27 Register, 1.758 Pfeifen, mechanische Spiel- und elektrische Registertraktur


„Ohne Orgelmusik wäre jeden Tag Karfreitag“, sagt Organist Dietmar Schneider (63), diplomierter Konzertmusiker und als solcher rege in Sachen Musik unterwegs. Seine Liebe gehört Bach, seine Schwerpunkte sind die deutsche und französische Romantik. Insofern passen Schneider und die Heilig-Geist-Kirche gut zusammen.
Die 1981 gebaute Weyland-Orgel gehört zu den markantesten und klangschönsten der Region. Das jüngste Gutachten bescheinigt ihr unter allen Orgelneubauten der letzten Jahrzehnte in der Diözese einen weit überdurchschnittlichen Stellenwert. „Sie hat einen satten, nach unten abgerundeten Klang und deutet damit einen Übergang vom norddeutschen Neobarock zum Romantischen an“, erklärt Schneider. Weil sie so angelgt ist, dass sie allen Anlässen – ob Liturgie, Solospiel oder Orchesterbegleitung – gerecht wird, hat sie durch Aufnahmen mit namhaften Künstlern internationale Bekanntheit.
Mit dem Umbau und der Verkleinerung der HeiligGeist-Kirche (2013–2015) wurde die Orgel quasi unverändert an anderer Stelle wieder eingebaut. „Sie klingt auch dort erstaunlich gut und weiterhin gewaltig“, resümiert Schneider, auch wenn er sich mehr Intonationsarbeiten für den neuen Standort gewünscht hätte.

Lupenreine Komplettrestaurierung im Sauerländer Dom

St-Johannes-Baptist-Attendorn

3 Manuale, 43 Register, 3.500 Pfeifen, elektrische Spiel- und Registertraktur


Symbol der einstigen Bedeutung der Hansestadt Attendorn ist die wunderschöne Pfarrkirche St. Johannes Baptist. Sie ist das Zuhause für die große 1959 erbaute Klais-Orgel, die vor zwei Jahren für eine viertel Million Euro restauriert wurde. Das Gehäuse, jede der 3.500 Pfeifen, die Elektrik und alle weiteren Einzelteile, die den Wind verteilen, erhielten eine aufwendige Komplettüberholung. Einzug hielt ein neuer Spieltisch, mit dem sich bis zu 10.000 unterschiedliche Klangfarben speichern lassen. Sämtliche Stilepochen von der Gotik bis zur Moderne können gespielt werden. „Die Klangfülle und gute, auf den Raum perfekt abgestimmte Intonation“ findet viel Lob bei Thorsten Schmehr. Er ist seit April der hauptamtliche Herr über die große Klais-Orgel, die die typischen Charakterzüge einer Orgel aus den 1950er-Jahren hat.
Der 43-Jährige, der vom Saarland ins Sauerland übersiedelte, studierte neben Kirchenmusik auch Diplommusikpädagogik. Als solcher ist er bestens geeignet für die Leuchtturm-Stelle im Pastoralverbund Attendorn. Sogenannte Leuchtturmstellen räumen der Kirchenmusik einen großen Stellenwert als Kulturträger ein. Die Inhaber sollen quasi als motivierendes Bindeglied aller Gläubigen in die neuen großen pastoralen Räume hineinwirken. Musik soll nicht nur die Liturgie in besonderer Weise lebendig sein lassen, sondern verstärkt missionarisch strahlen, emotional ansprechen und den Weg zum Glauben öffnen. Dazu gehört eine enge Zusammenarbeit mit Dekanatskirchenmusiker Moers, um kirchenmusikalische Aktivitäten zu verstärken, zu bündeln und Qualitätsstandards zu sichern. „Wer eine gescheite Kirche haben will, braucht auch gescheite Musik“, beschreibt es Dieter Moers. Das leuchtet ein!
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WOLL-BIGGESEE-12-WINTER-15Diese und weitere interessante Geschichten lesen Sie in der WINTER-AUSGABE unseres Magazins WOLL – RUND UM BIGGESEE UND LISTERSEE
 
Das Magazin liegt in vielen Verteilstellen Geschäften, Gastronomiebetrieben, Banken, Sparkassen, Bäckereien und in den Rathäusern rund um den Biggesee aus und ist kostenlos erhältlich.
Eine Übersich der Verteilstellen finden Sie unter wwww.rund-um-den-biggesee.de/verteilstellen/
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Das Hochglanzmagazin für die Sauerländer Lebensart „WOLL – Rund um Biggesee u. Listersee“ ist ebenso wie das online Stadtmagazin „Attendorner Geschichten“ aus dem Hause FREY PRINT + MEDIA GMBH – der Druckerei und dem Medienhaus vor Ort in Attendorn.