1150 Jahre Stift Meschede

Eine Begegnung in der Krypta der St. Walburga-Kirche

„Als Haus des Gebetes und der Gottesbegegnung wurde die Stiftskirche gegründet und genau das ist sie bis heute geblieben: unsere Kirche St. Walburga im Herzen von Meschede. Darauf können wir stolz sein!“ So lautet die klare Aussage des Pfarrers von St. Walburga und Leiter des Pastoralen Raumes Meschede Bestwig, Michael Schmitt. Anlässlich des 1150-jährigen Stiftsjubiläums empfängt er uns in der Krypta der Stiftskirche.

„Sein ist die Zeit“ – unter diesem Leitwort steht das Jubiläum des ehemaligen Stifts, allerdings haben sich die Zeiten geändert. Vor 1150 Jahren begann alles mit:

Emhildis

Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei Emhildis, der Gründerin des Mescheder Stiftes, um die Witwe des hiesigen Grafen Hermann. Das Stift Meschede diente Emhildis als Ort des Gebetes für die Verstorbenen, der Verkündigung des Glaubens, der Bildung. Und als Witwensitz, also ihrer und der weiteren Stiftsdamen persönliche Lebensversorgung.

Ein Stift ist eine religiöse Lebensgemeinschaft, die in einer klosterähnlichen Anlage lebt. Anfänglich wurden ausschließlich adelige Damen ins Stift aufgenommen. Ewige Gelübde mussten sie nicht ablegen, sie durften ihren eigenen Besitz verwalten und konnten jederzeit das Stift wieder verlassen. Die Äbtissin eines Stiftes verfügte über großen Einfluss und wirtschaftliche Machtkompetenzen in einer Größenordnung, die selbst für adelige Damen mehr als ungewöhnlich war. Emhildis war eine mächtige, mutige, gelehrte und sehr fromme Frau, wie schon ihr Bau der ersten Stiftskirche beweist.

Die erste Stiftskirche

Pfarrer Schmitt ist in seinem Element. Neben den historischen Fakten brennt er auch für die architektonischen Gegebenheiten: „Der Bau der Stiftskirche wurde um 880 von Osten nach Westen begonnen. Sie war ursprünglich der Gottesmuttter Maria geweiht. Die spätkarolingische Umgangskrypta mit dem großen Kultgrab erhielt erst eine Generation später Reliquien der Heiligen Walburga aus Eichstätt.“

Ein kleines Zahlenrätsel gehört ebenfalls ins Repertoire des begeisterten und begeisternden Kirchenmannes: „Der Kirchturm wurde etwas später errichtet und ist die älteste Ein-Turm-Anlage nördlich der Alpen. Die Buchstaben der Turm-Inschrift „WALBURGIS ORA PRO NOBIS“ (Walburga, bitte für uns) ergeben in der oberen Reihe neun und in der unteren elf, also die Zahl und das Jahr 911, das sich genau mit den archäologischen Ergebnissen deckt. Es handelt sich also um das Weihedatum der Kirche. Solche Zahlenspiele waren beliebt; leider erschließt sich uns heute nicht immer ihr Sinn, viel zu oft bleiben sie einfach unentdeckt.“

Insgesamt orientiert sich der karolingische Bau am berühmten St.-Galler-Klosterplan und deckt sich in dem Verhältnis Länge und Breite (3:1), genau mit der Jerusalemer Grabeskirche und dem dortigen salomonischen Tempel. Unsere Stiftskirche war also damals auf der Höhe der Zeit und stand in der großen biblischen, jüdisch-christlichen Tradition.

Die Heilige Walburga

Die Reliquien der Heiligen Walburga wurden wahrscheinlich von König Konrad I zwischen 911 und 918 nach Meschede überführt. Seitdem ist Meschede – bis heute – ein Zentrum ihrer Verehrung. Die Anfang des 8. Jahrhunderts in England geborene Walburga übernahm 761 das von ihrem Bruder gegründete Männerkloster Heidenheim und fügte ein Frauenkloster hinzu. Sie gehört zu den bedeutendsten Frauen ihrer Zeit. Walburga gilt als die Schutzpatronin gegen Augenkrankheiten, worauf auch das Walburgisöl hinweist. Sie ist die Schutzpatronin der Seeleute, Bauern und Wöchnerinnen. Auch bei Krankheiten, Seuchen, Hungersnot, Missernten und Tollwut wird sie von den Gläubigen um Fürsprache angerufen.

Pfarrer Schmitt weist auf den Reliquienschrein, der in der Krypta ausgestellt ist und viel besucht wird: „Die ersten Reliquien wurden in einem  besonderen Schrein in der Ringkrypta an demselben Ort verwahrt und verehrt, an dem der heutige Schrein zu sehen ist. Die Bildhauerin Anne Wagner schuf 1980 für die 1965 neu erhaltenen Walburgareliquien den neuen, eindrucksvollen Schrein. Die Abbildungen zeigen Emhildis und Walburga, die Familie der Heiligen Walburga, die Überfahrt der Heiligen von England zum Festland und Walburgas Verkündungsauftrag und die ihr zugeschriebenen Wunder (Sturmbeschwichtigung, Heilung eines Kindes und Lichtwunder). Daran erinnert auch die neu aufgestellte Walburgasäule an der Stiftskirche.“

Bis heute

1310 wurde das Damenstift in Meschede aufgelöst und ein Kanonikerstift eingerichtet. Die große Zeit der mächtigen, gebildeten und frommen Damen war vorbei. Dieses Männerstift bestand bis 1805 und wurde im Zuge der Säkularisation aufgehoben. Seitdem ist St. Walburga „Pfarrkirche mit Mittelpunktsfunktion“.

Mit einem Wunsch beendet Pfarrer Schmitt unseren Besuch in der Krypta des beeindruckenden Gotteshauses:

„Möge unsere Kirche bleiben, was sie seit 1150 Jahren ist: Ein Haus des Gebetes, der Gottes- und Menschenbegegnung inmitten einer lebendigen Stadt.“

Infokasten

Das Jahr 2020 feiert die Gründung des Damenstiftes, die maßgeblich für unsere Mescheder Identität gelten darf. Die lebendige Gemeinde von St. Walburga hat sich nicht nur für alle Mescheder Bürger und alle Meschede Besucher geöffnet, sie bietet in diesem Festjahr 11 ½ öffentliche, hochkarätige Vorträge, Exkursionen und Pilgerreisen, insgesamt ein buntes, fröhliches und umfangreiches Programm, das unter https://www.katholische-kirche-meschede-bestwig.de/ einsehbar ist.

Besonders am Herzen liegt Pfarrer Schmitt der Stiftsmarkt am 12. und 13. September 2020. „Über 20 Stifte, Klöster und Ordensgemeinschaften aus Deutschland und Österreich bieten auf dem Stiftsplatz ihre selbstgemachten Produkte an. Da warten so einige Überraschungen auf die Besucher.

Emhildis war eine mächtige, mutige, gelehrte und sehr fromme Frau.

Emhildis gehört zu den bedeutendsten Frauen ihrer Zeit

Pfarrer Schmitt
Die Krypta
Die Walburga Lichtsäule des Bad Fredeburger Künstlers Walter Schneider.
krypta