Wie man eine Region erfindet: Das Schmallenberger Sauerland

Fotos: Heidi Bücker

Die Vorsitzenden des Verkehrsvereins Schmallenberger Sauerland e.V. im Gespräch mit WOLL

Wenn man über seine Urlaubserlebnisse berichtet, sind neben den landschaftlichen Reizen fast immer auch die Unterkünfte und gastronomischen Betriebe Teil der Erinnerung. Stellt man unsere Region einem Besucher vor, so lenkt man, nicht ohne ein wenig Stolz, gerne auch den Blick auf die bekannten Hotels und Restaurants in den Orten. Eine Säule der Tourismusorganisation Schmallenberger Sauerland sind die Verkehrsvereine der einzelnen Orte und ihre jeweiligen Vertreter, in der Regel die Hoteliers und Gastronomen. Theo Deimann, Edgar Stracke, Karl Anton Schütte und Rudolf Grobbel, alle Inhaber und Verantwortliche bekannter Betriebe im Schmallenberger Sauerland, haben dem Verkehrsverein Schmallenberger Sauerland e.V. als Vorsitzende vorgestanden und somit als Teil der Gesellschaft die Arbeit der Kur und Freizeit GmbH mitgesteuert. Aktuell ist Rudolf Grobbel in dieser Position verantwortlich. Im Gespräch im Hotel Störmann haben uns alle vier ihre Sicht auf die Entwicklung des Schmallenberger Sauerlandes als einer führenden Tourismusregion geschildert.
WOLL: Wann wurden die entscheidenden Grundsteine für die heutige Entwicklung zum „Schmallenberger Sauerland“ gelegt?
Theo Deimann: Der entscheidende Wendepunkt war in den 70er Jahren die kommunale
Neugliederung. Der Qualitätstourismus entlang der Lenneschiene musste zusammengeführt
werden. Es gab da nur eine lockere Zusammenarbeit der dörflichen Verkehrsvereine. Dann haben wir eine Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsvereine des damaligen Amtes Schmallenberg gegründet. Im Amt Fredeburg konzentrierte sich die Arbeit vor allem auf die Kliniken. Aus der Arbeitsgemeinschaft entstand eine Marketinggesellschaft, gewissermaßen die Vorstufe der Kur- und Freizeit GmbH. Wir durften selbst entscheiden, wo wir annoncieren und wie wir Prospekte gestalten wollten. Das lief nun nicht mehr über den Stadtrat, sondern allein über die Marketinggesellschaft, wo der Gesamtverkehrsverein dominierend war und die Geschäfte regelte. Das Ergebnis wurde durch die Stadt abgesegnet.
Edgar Stracke: Im Zuge der Arbeit am ersten Prospekt ist unter anderem die Idee für den häufig genannten Routen-Prospekt entstanden. Der Gedanke dahinter war, alle unter einen Hut zu bringen. Und so kamen diese fünf Routen zustande und damit das verbindende Element, das eine Identifikation mit dem Ganzen ermöglicht hat. Für jede Route kam ein Vertreter, der dann für diese Region entsprechende Ideen einbrachte. Das hat viel für die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt gebracht.
WOLL: Was ist denn, wenn man es zusammenfasst, das Besondere an der Entwicklung der GmbH?
Edgar Stracke: Der entscheidende Aspekt bei der Geschichte war, dass wir aus der Arbeitsgemeinschaft den Gesamtverkehrsverein gebildet haben, mit dem endlich eine feste Einrichtung gegeben war und der als Gesellschafter zusammen mit der Stadt Schmallenberg die Kur- und Freizeit GmbH bildete. Das war der entscheidende Clou. Die
Privaten taten sich mit der Kommune zusammen und bildeten eine private Gesellschaft. Das hatte es bis dahin noch nicht gegeben.
Karl Anton Schütte: Ausschlaggebend war, dass alle Betriebe familiengeführt waren und sich zugleich alle nicht nur verantwortlich für die Betriebe fühlten, sondern auch
für die Region. Jeder Einzelne engagierte sich über den eigenen Betrieb hinaus auch im kommunalen oder touristischen Bereich. Wir haben gemerkt: Wir sind nur stark, wenn wir alle gemeinsam etwas machen. Das war die Basis für alles Folgende.
Edgar Stracke: Wenn die Verkehrsvereine nicht gewesen wären, dann hätten wir das nicht zustande bekommen. In anderen Regionen gibt es kein vergleichbar starkes Verkehrsvereinswesen. Theo Deimann als 1. Vorsitzender und Edgar Stracke als sein Stellvertreter legten 1999 ihre Ämter nieder. Als Nachfolger übernahm Karl Anton Schütte die Verantwortung als 1. Vorsitzender des Verkehrsvereins Schmallenberger Sauerland e.V. Karl Anton Schütte: Mein Vater hat immer gesagt: ‚Du kannst Dich hier im Ort für alles engagieren, aber mach nie etwas außerhalb!‘ Er hatte selbst leidvolle Erfahrungen mit dem Hotel- und Gaststätten-Verband und all den Prozessen, die damit verbunden waren, sammeln müssen. Und dann kamen Theo Deimann und Edgar Stracke auf mich zu und sagten, dass sie ihre Ämter niederlegen würden und ich den ersten Vorsitz übernehmen solle. Nachdem ich gewählt worden war, fand ich mich sogleich in endlosen Diskussionen
um den Namen „Schmallenberger Sauerland“ wieder. Man stieß auf viele Neider und in fast jeder Sitzung wurden wir aufgefordert, die Begrifflichkeit „Schmallenberger Sauerland“ als Namen aufzugeben.
WOLL: Also viel Arbeit, vor allem auf der politisch-organisatorischen Ebene?
Karl Anton Schütte: Sicher, es gab aber auch eine Menge an Aufgaben, die sich vor Ort gestellt haben, wie der Ausbau der Wanderwege – inklusive Rothaarsteig –, die Einrichtung der Leitsysteme und vieles mehr. Wenn da das Team der Kurund Freizeit GmbH und auch der Gesamtverkehrsverein nicht dahintergestanden und das unterstützt hätten, dann wären all diese Dinge gar nicht in diesem Maße zu realisieren gewesen. Karl Anton Schütte hat den Posten des 1. Vorsitzenden von 1999 bis 2012 innegehabt. Seitdem steht Rudolf Grobbel dem Verkehrsverein Schmallenberger Sauerland e. V. vor.
Rudolf Grobbel: Meine Anfangszeit als erster Vorsitzender stand vor allem im Zeichen dringlicher Fragen der Finanzierung. In fast jeder Sitzung waren fehlende Gelder ein großes Thema, auch in den Beiratssitzungen, an denen die Politiker teilnahmen. Das hat viel Energie und Zeit gekostet. Zu jener Zeit wurde die Umsatzsteuer für Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt und die Stadt Köln führte die Bettensteuer ein. Das wurde im Beirat bzw. im Vorstand natürlich sofort Th ema, ob man so hinsichtlich der Finanzierungen nicht endlich Ruhe hineinbekommen könnte.
WOLL: Was kommt denn in den nächsten Jahren an Aufgaben und Entwicklungen auf den Tourismus zu? Was sind die großen Herausforderungen?
Rudolf Grobbel: Das große Th ema für uns wird die Frage sein, wie wir es personell geregelt bekommen, dass die touristische Vielfalt, die wir in der Region des Schmallenberger Sauerlands haben, weiterhin bestehen bleibt. Das ist eine Aufgabe, die sich sicherlich erst einmal an jeden Einzelnen richtet, letztlich und vor allem aber auch an die Gemeinschaft. Wenn wir um uns herum beobachten, dass einzelne Betriebe ihre Gastronomie schließen müssen, weil sie keinen Koch und keinen Kellner mehr bekommen, dann bereitet das schon große Sorge. Das ist bei uns Gott sei Dank noch nicht passiert. Wir müssen aber immer bedenken, wie viel unsere Region verlieren würde, wenn Betriebe schließen sollten. Vielfalt und Abwechslung machen das Urlaubserlebnis der Gäste aus und das sollte nicht verlorengehen. Uns sollte aber beständig die Frage antreiben, was der Gast in der Zukunft wünscht.
Karl Anton Schütte: Es erscheint mir wichtig, dass in den Betrieben nach wie vor die Privatwirtschaft den Stab in der Hand hat und zugleich auch zum Wohle der Region handelt. Wir sind diejenigen, die allen anderen Mut machen müssen, um positiv nach vorne zu schauen. Wir sollten nie die Hände in den Schoß legen und sagen: ‚Wir haben so vieles erreicht, wir sind so gut, wir brauchen nichts mehr machen‘!
Theo Deimann: Da stellen sich ganz schwierige Fragen! Was passiert bei uns und was ist da in Zukunft noch möglich? In einem Gespräch mit dem Bürgermeister habe ich mal auf Oberkirchen verwiesen. Es gibt keinen Ort, der touristisch so toll aufgestellt und zugleich ein solches Schmuckstück ist. Heute hat Oberkirchen sieben Konzessionen, in fünfzehn oder zwanzig Jahren jedoch kann man wahrscheinlich nur noch bei Schütte ein Bier oder einen Kaff ee trinken, weil die anderen alle zugemacht haben. Man sieht es an anderen Orten. Wir wollen nicht hoff en, dass es so weit kommt. Aber wir müssen uns nachhaltig mit der Frage auseinandersetzen, wie man diesen Entwicklungen gegensteuern kann. Das ist für mich eine ganz wichtige Aufgabe.
Edgar Stracke: Das wird nur funktionieren, wenn die privaten Initiativen da sind und von den Kommunen unterstützt werden. Jedes Mal, wenn in der Region etwas wegbricht, wird die bunte Vielfalt unserer touristischen Angebote blasser. Und wir müssen sehr aufpassen, dass am Ende nicht vieles grau wird. Wenn aber die Privaten wie bislang die Initiativen bringen und dabei von der Kommune unterstützt werden, dann – da bin ich wirklich zuversichtlich – wird es auch zukünftig so gut funktionieren wie in den letzten 25 Jahren!

WOLL:
Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in die touristische Vergangenheit und Zukunft unserer Region.