Vom Einzelkämpfer zum gemeinschaftlich handelnden Markenbotschafter.

Wie 25 Jahre „Kur- und Freizeit“ den Tourismus im Schmallenberger Sauerland beeinflusst haben.

Der Tourismus in der Stadt Schmallenberg und der Gemeinde Eslohe steht seit 1992 auf zwei starken Säulen, welche die Basis der Kur- und Freizeit GmbH Schmallenberger Sauerland darstellen. Auf der einen Seite die Stadt Schmallenberg und die Gemeinde Eslohe als kommunale Träger und auf der anderen Seite die Verkehrsvereine und touristischen Betriebe. Beide Gesellschafter sind fast gleich stark: Der Anteil der Kommunen beträgt 51 % (37 % Schmallenberg, 14 % Eslohe), jener der Verkehrsvereine und Betriebe 49 %. Im Interview mit WOLL berichten die Männer der ersten Stunde und der derzeitige Vorsitzende, wie es zur Gründung der touristischen Gesellschaft kam und welche Aufgaben auf dem Weg zur etablierten Tourismusmarke zu bewältigen waren.
WOLL: Wie sah die Tourismuslandschaft in Schmallenberg vor 25 Jahren aus?
Bernhard Stegmann: Da müssen wir auf die kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen, auf die Zeit vor 1975, zurückblicken. Damals galt es, die Zusammenführung der Orte Fredeburg und Schmallenberg zu bewerkstelligen und dabei stand auch die Kommerzialisierung des Fremdenverkehrs in unserer Stadt auf dem Programm. Eine wichtige Entwicklung, um hier zu einer guten gemeinsamen Arbeit zu kommen, war der Vorschlag, die Region in fünf Routen aufzuteilen: Bauernland-Route, Quellen-Route, Berg- und Tal-Route, Wald-Route und Romantik-Route. Von 1984 bis 1989 haben wir uns in der Stadt intensiv mit diesem Thema beschäftigt, um Marketing konzentriert und auf Schwerpunkte ausgerichtet betreiben zu können. Das hat sich letztendlich als gute Idee erwiesen.
WOLL: Wie machte die Stadt damals Werbung nach außen und wie haben dies die einzelnen Verkehrsvereine gehandhabt?
Paul Hermes: Wir hatten anfangs 18 Verkehrsvereine, von denen im Grunde jeder eigenständig allein für sich Werbung gemacht hat. Jeder gestaltete sein eigenes Prospekt, ging damit auf die Märkte und hat seinen Ort präsentiert. Eine Region – zig Vertreter: Wie sollte das ein Gast aus dem Ruhrgebiet oder Köln oder Düsseldorf noch verstehen? Aber das war damals im gesamten Sauerland so. Auch als Reaktion darauf wurde 1988 dann der Gesamtverkehrsverein Schmallenberger Sauerland gegründet.
WOLL: Was war die Aufgabe des städtischen Tourismus und was die der Verkehrsvereine?
Bernhard Halbe: Es gab damals zwei parallele Schienen. Die öffentliche Schiene mit den genannten Institutionen und daneben eine private Schiene. Unter den Verkehrsvereinen gab es noch den Fremdenverkehrsverband Sauerland sowie den Landesverkehrsverband Westfalen. Da lässt sich schon von Zersplitterung sprechen und es gab viele unnötige Überschneidungen im Handeln der einzelnen Einrichtungen.
Hubertus Schmidt: Ende der 80er Jahre wurde erstmalig das Budget für Marketing und Werbung in die Verantwortung des Gesamtverkehrsvereins gelegt. Und erstmals durfte der Vorstand aus seiner privatwirtschaftlichen Sicht die Maßnahmen und Ausgaben steuern. Eine wichtige Entwicklung …
WOLL: Es ging also, wie so oft, um die Frage des Geldes. Was macht man mit dem Geld und wer verantwortet letztendlich diese Entscheidungen …
Paul Hermes: Wir mussten realisieren, dass Marketing und Kommunikation anders funktionierten. Das war damals der entscheidende Punkt. Und es wurde zur großen Aufgabe, das allen Beteiligten bewusst zu machen und sie zu überzeugen, dass es nur funktioniert, wenn alle mitmachen.
WOLL: 1992 wurde nach langen Vorgesprächen die Kur- und Freizeit GmbH gegründet. Zentrales Thema war – wenig überraschend – auch hier das Geld. War die Zusammenarbeit zwischen privatrechtlichem Touristikunternehmen und öffentlich-rechtlicher Organisation gewöhnungsbedürftig?
Bernhard Halbe: Bei allen Schwierigkeiten, sich vom Gewohnten zu trennen, war der Zeitpunkt damals schon günstig. Der Wille zum Aufbruch war da. Man sah ein, dass es nicht wie gewohnt weitergehen konnte. Zudem hat auch die Kommune klar geäußert, dass man eine Partnerschaft aller Beteiligten auf Augenhöhe zum Ziel setzen wollte. Ich bin der Meinung, dass dieser Gedanke bis heute immer gegenwärtig geblieben ist. Aber auch in einer guten Ehe kriselt es halt gelegentlich. Wir bündeln ja die Arbeit von Hunderten von Menschen in dieser Einrichtung und da dürfte es eher normal sein, dass da nicht jeder immer mit allem zufrieden ist. Aber wir bekommen auftretende Probleme, glaube ich, immer wieder gut gelöst.
Rudolf Grobbel: Ich kann mich erinnern, dass es unter den Kollegen immer wieder Stimmen gab, die meinten, die Kur- und Freizeit bringe nichts, am wenigsten Gäste. Natürlich ist die Kur- und Freizeit keine Zimmervermittlung. Dass das aber auch gar nicht die Aufgabe des Marketings ist, das hat von jenen Skeptikern keiner einordnen können. Es geht in allererster Linie darum, ein Bild von der Region zu zeichnen, das möglichst authentisch ist und so attraktiv, dass man bei der Urlaubsplanung sagt: „Das ist eine wunderschöne Region mit allen Möglichkeiten. Da fahre ich mal hin!“
WOLL: Die Entscheidung des Gastes für unsere Region ist also ganz entscheidend vom Marketing abhängig …
Rudolf Grobbel: Da haben wir viel lernen müssen. Zum Beispiel, dass man Marken bilden muss. Da lassen sich der Rothaarsteig anführen oder die Kinderland-Betriebe. So etwas wie die Kur- und Freizeit braucht Werkzeuge, mit denen sich überhaupt erst Marketing machen lässt. Es ist unerlässlich, etwas zu haben, durch das man Aufmerksamkeit erhält und wahrgenommen wird. Es war entweder Thomas Weber oder Hubertus Schmidt, der gesagt
hat, dass wir einen „Knochen“ brauchen, mit ein bisschen Fleisch dran, vor allen Dingen aber erst mal den Knochen.
WOLL: Sehen Sie die „Kur- und Freizeit“ als den richtigen Knochen, um den sich alles gebildet hat?
Rudolf Grobbel: Ich sehe das nicht als etwas Konkretes, Greifbares, sondern als einen dauerhaften Prozess. Die Erwartungen der Gäste verändern sich laufend, die Ansprüche an den Aufenthaltsort steigen. Hier zuzuhören und die richtigen Angebote zu machen, das müssen wir als Gastgeber leisten, immer wieder von neuem.
Hubertus Schmidt: Unsere Rolle als Kur- und Freizeit GmbH dabei ist es, dass wir dem Gastgeber Unterstützung anbieten, soviel Service und Dienstleistung wie möglich. Angesichts aller Unwägbarkeiten des Marktes müssen wir den Gastgebern mit unseren Serviceleistungen den Rücken frei halten. Und das können wir, weil wir unseren Wissensstand immer weiter ausbauen, um die letztlich bestmöglichen Vorgaben leisten zu können. Es gibt kaum eine Region, die sich mit so viel gutem bis hervorragendem Bildmaterial illustrieren lässt. Das kommt alles wie aus einem Guss rüber und genau das müssen wir nach außen transportieren.
Rudolf Grobbel: Dazu gehören natürlich vor allen Dingen die neuen Medien. Wir können den Gast heute schon gewissermaßen zu Hause – online – abholen. Das ist eine besondere Qualität. Eine andere wichtige Qualität besteht in der Herausforderung für die Betriebe, dass man genügend Mitarbeiter bekommt, die uns als Mitstreiter in die Zukunft begleiten. All diese Qualitäten müssen wir mit unserem Knowhow unterstützen, über das Marketing transportieren und für den Gast vor Ort erfahrbar machen.
WOLL: Wir haben über die letzten 25 Jahre gesprochen und man kann den Eindruck gewinnen, dass die Touristiker und die Stadt zusammen 25 Jahre in einem schönen Ehebett liegen und ohne Probleme miteinander auskommen. Wie stimmig ist dieses Bild?
Bernhard Halbe: Das Erreichte konnte letztlich nur auf Basis eines grundsätzlichen Einvernehmens erreicht werden. Wir verwenden unsere Kräfte darauf, gemeinsam Werbung für Schmallenberg zu machen und nicht darauf, uns gegenseitig Ärger zu bereiten. Manchmal gibt es naturgemäß Differenzen darüber, welcher Weg der richtige ist. Und dann muss man die Debatte austragen, aber eben immer in einem positiven Diskurs.
Paul Hermes: Natürlich gibt es immer wieder Forderungen des Tourismus an die Stadt, die sich angesichts der Höhe der dafür notwendigen Investitionen im Rat nur schwer durchsetzen lassen. Da geht es viel um infrastrukturelle Maßnahmen, bei denen sich die Kosten schnell mal anders entwickeln, als zuvor gedacht.
Rudolf Grobbel: Es knirscht eher an anderer Stelle. Der Tourismus tut etwas für den Gast und für die Region sowie deren Bewohner. Wir erleben leider, dass viele, die hier aufgewachsen sind, mit dem Tourismus nicht viel anfangen können. Da ist man der Meinung, dass viel für den Tourismus getan wird, die Bevölkerung davon aber nichts habe. Hier müssen wir die Vorteile, die der Tourismus gerade auch für die Bürgerinnen und Bürger der Region bietet, deutlicher hervorheben. Stichworte dazu gibt es genug: Wanderwege, Radwege, Gastronomieangebote in den Dörfern und vieles mehr.
WOLL: Im Jahr 2003/4 kam Eslohe als Gesellschafter der „Kur- und Freizeit GmbH“ dazu. Was waren die Gründe dafür und wie hat die Integration geklappt?
Rudolf Grobbel: In Eslohe hatte man erkannt, dass die Aufgabe, eigenverantwortliches Marketing zu betreiben, immer schwieriger wurde. Angesichts unserer Erfolge und der zahlreichen Parallelen zwischen den Regionen hat man sich dann entsprechend um die Aufnahme in die Gesellschaft beworben. Die vor allem landschaftlichen, aber auch strukturellen Parallelen haben natürlich vieles einfacher gemacht und die Esloher sind heute ein wertvoller Bestandteil des Ganzen.
WOLL: Man hat für die Kommunikation den Slogan „Schmallenberger Sauerland“ gewählt. Das scheint anzudeuten, dass die Region um Schmallenberg ein besonderer Teil des Sauerlandes sei. Was ist das Besondere am Schmallenberger Sauerland?
Rudolf Grobbel: Der entscheidende Gedanke dahinter ist der, dass nicht unsere Perspektive wichtig ist, sondern die des Gastes. Wenn man sich mit Gästen darüber unterhält, was sie mit der Region verbinden, dann werden überwiegend Aspekte wie die typischen Fachwerkhäuser, der Schieferabbau, das einheitliche Gesamtbild, die sauberen, gepflegten Dörfer und ihre hochwertige Gastronomie oder die weitläufige, idyllische Natur und manches mehr genannt. Das alles sind für die Gäste Perlen unserer Region, eben des Schmallenberger Sauerlands.
WOLL: „Schmallenberger Sauerland“ – das ist heile Welt! Oder ist das zu viel des Guten?
Bernhard Halbe: Auf den ersten Blick vielleicht, aber ich hänge an das Bild von der „heilen Welt“ immer noch den Zusatz an, das sie hier so ist, weil viele Menschen sich für sie engagieren und täglich daran arbeiten, dass sie auch in Zukunft so „heil“ bleibt. So etwas fällt ja nicht vom Himmel. Das ist das Ergebnis harter täglicher Arbeit von vielen, vielen Menschen.
WOLL: Wie geht die Entwicklung weiter? Lässt sich das skizzieren?
Hubertus Schmidt: Wir müssen heute und und in der Zukunft vor allem auf das aufbauen, was wir in den letzten Jahren erreicht haben. Das gilt besonders für den technischen Bereich des Gästeservice. Da sind wir durchaus recht weit, was zum Beispiel das Thema Onlinepräsenz oder auch das Leistungsangebot für die Gastgeber betriff t. Aber
wir müssen das Erreichte stabilisieren und weiter ausbauen. Das sind alles Entwicklungen, die in ihren Wurzeln weit zurückreichen, vor allen Dingen zum Bewusstsein für den Wert eines gemeinschaftlichen Handelns, wie er sich in den verschiedenen Verkehrsvereinen und zwischen den engagierten Privaten entwickelt hat. Das trägt heute noch. Da geht aber noch mehr, denn solche Handlungspotenziale muss man immer weiterentwickeln. Das ist auch die beständige Aufgabe für das Marketing, dass wir unser Bild nach außen weiter abrunden müssen, dass man sich immer weiter mit den Partnern abstimmt: den Werbegemeinschaften, den Verkehrsvereinen oder der Schmallenberger Woche. Mir schwebt vor, dass wir intensiv engagiert bleiben, möglichst viele möglichst unmittelbar einzubinden, um das Schmallenberger Sauerland so nachhaltig wie möglich nach außen zu tragen.
WOLL: Und in einem Satz: Warum soll man ins Schmallenberger Sauerland kommen?
Hubertus Schmidt: Für Menschen, die wenige Tage Kurzzeitentspannung in einer echten Naherholungsregion genießen wollen, ist Schmallenberg mit seinen familiengeführten Betrieben, mit dem Naturareal und dem authentischen Angebot auch seiner Dörfer deutschlandweit einzigartig.
Bernhard Stegmann: Dem stimme ich zu. Wir bieten ein derart großes Angebot, dass jeder Gast das finden kann, was er sucht.
Paul Hermes: Grundsätzlich finde ich, dass es eines der schönsten Mittelgebirge unseres Landes ist. Das Besondere aber sind die Menschen, die hier wohnen! Es ist eben nicht so, wie ein Kölner mal sagte: „Mit dem Sauerländer muss man erst einen Sack Salz fressen, bevor man mit dem auf Du und Du ist!“
Rudolf Grobbel: Das Einzigartige an unserer Region ist, dass es in jedem Ort eine qualitativ hochwertige Gastronomie gibt, in der man sich bestens aufgehoben fühlen kann. Wir haben eine Vielfalt und Vielzahl an gastronomischen Angeboten die sehr geschätzt werden – und die es für die Zukunft zu erhalten gilt.
Bernhard Halbe: Schmallenberg ist in allen Lebensfeldern attraktiv und bietet hohe bis höchste Qualität. Das gilt für das Leben, das Arbeiten, die Freizeit und den Urlaub! Wenn wir es schaff en, das ganze Paket weiter so passend zu halten und zu entwickeln, dann werden wir auch in Zukunft die Menschen anziehen können, die wir hier brauchen!