Hasse schonn gehört?

Frage: Lieber Dr. Nürsel! Hasse schonn gehört, dass in den Sauerländer Wäldern angeblich ein riesengroßes, behaartes Fabelwesen lebt? Deine Freya-Cosima aus Freisemicke.
Dr. Nürsel: Jau, habbich, Freya. So wie der Bigfoot in den Rocky Mountains Amerika und der Yeti im Himalaya lebt auch in den Untiefen der Sauerländer Wälder ein aufrecht gehendes, mystisches Riesenwesen aus der Gattung Gigantopithecus. Immer wieder wurde es im Laufe der Jahrhunderte von einheimischen Jägern, Anglern und Pilsforschern gesichtet, daher variieren die Angaben über Größe, Gewicht und Verhaltensweise des extrem scheuen Wesens entsprechend. Einig sind sich alle Augenzeugen jedoch, dass es wahne groß ist, zimmich haarig und ein bisschen nach Bärenfurz mufft. Die Sauerländer gaben ihm den Namen Ömmes oder Riesenömmes.
Der Ömmes

Unsern Jürgen, der Kaventsman Illustration: Derek Pommer


Der legendäre Ömmes findet sich auch in unserer Alltagssprache wieder, und zwar als Oberbegriff für besonders Großes wieder. So werden Neugeborene über einem Geburtsgewicht von fünf Kilogramm von staunenden Hebammen und Geburtshelfer mit einem „Boah, is dassen Ömmes!“ begrüßt. Ein Ömmes kann auch einen besonders umfangreichen Erwachsener sein. Unser Omma freute sich zum Beispiel nicht auf Den Bullen von Tölz, sondern sie sagte: „Schaltma um, da kommt gleich wieder mein Ömmes von Bayern.“ Doch nicht nur Menschen können Ömmesse (Pluralform) sein, sondern auch Kappesköppe, Zuchtbullen, dicke Zigarren oder ungewöhnlich fette Tiere, so wie unsere letzte Weihnachtsgans: „Meine Fresse, der Ömmes passt nich mal inne Röhre!“ Ömmes hat übrigens nichts mit dem sogenannten Mömmes zu tun, auch wenn beide Begriffe sich stark ähneln: Als Mömmes bezeichnet man bei uns einen klebrigen Nasenpopel.
Kaventsmann und Oschi gibt es auch noch
Wem der Ömmes sprachlich nicht reicht, hat im Sauerland eine breite Auswahl weiterer Begriffe, um Großes und Schweres einen passend zu umschreiben. Handelt es sich um eine Person, kennen wir den Wolkenschüwer, den Riesenkärl, den Mottskärl, den Oschi und das Undier, wobei Letzteres interessanterweise auch eine besonders hinterhältige Ziege sein kann, so wie Ommas Hitte .
Außerdem gibt es noch den Kaventsmann, laut Wikipedia ein beleibter Mann oder einen großer Gegenstand, in der Seemannssprache auch eine große Welle. „Der Ausdruck leitet sich vom Wort Kavent ab, welches in der älteren deutschen Rechtssprache einen Bürgen bezeichnet. Vermutlich wurde der Körperumfang oder auch die Machtfülle der wohlhabenden Bürgen hier bildhaft auf große/mächtige Gegenstände bzw. Personen übertragen.“ Der Begriff schwappte meiner Meinung nach eindeutig wegen unsern Jürgen in die Seemannsprache, denn Jürgen war so ein wahne Kaventsmann, dass er bei jeder Arschbombe im Freibad eine riesige Welle verursachte: Bummsdich!
Große Gegenstände können auch Oschi genannt werden, oder Apparillo beziehungsweise Riesenapparillo. Beide Begriffe kommen zum Beispiel in jedem traditionellen Sauerländer Schnitzelvergleich vor, wobei der Schnitzelumfang parallel mit beiden Händen bildlich dargestellt werden muss:
„In unserm Hotel auf Malle da gabes Schnitzel, das war‘n sooolche Oschis!“
„Das is noch ganix! In unserm gabes Apparillos, da konntesse den Teller nichma mehr sehn!“
Übrigens, liebe Freya, wenn du demnächst ein großes, scheues, behaartes Wesen durch die Freisemicker Wälder tapern siehst, muss es nicht unbedingt der legendäre Ömmes sein. Vielleicht ist nur unsern Jürgen, der heimlich nach Hause schleicht, weil ihm bei der letzten Arschbombe im Freibad die Badebuxe geplatzt ist, woll.