Mensch und Wald!

Blickt man im Sauerland aus einem Fenster, so ist es sehr wahrscheinlich, dass man auf Wald schaut. Für den Sauerländer ist dies eine nur allzu vertraute Selbstverständlichkeit, für einen Stadtbewohner hingegen eine reichlich außergewöhnliche und emotional reizvolle Vorstellung. Beides aber bringt für unsere Wahrnehmung von Wald Probleme mit sich, denn wie bewusst ist uns eigentlich, was Wald tatsächlich ist? Wie wird es uns vermittelt und welche Konsequenzen ziehen wir daraus für unseren Umgang mit dem Thema?
Genau diese Fragen kristallisierten sich im Laufe der Veranstaltung „Was leistet der heimische Wald für unser Klima?“ als wegweisend heraus, die am vergangenen Montagabend (8. Januar) zahlreiche interessierte Gäste ins Schmallenberger Holz- und Touristikzentrum lockte. Das Interesse an Fachgespräch und Diskussion war derart groß, dass zusätzliche Sitzgelegenheiten aus den angrenzenden Büros geholt werden mussten. Moderiert von Patrick Feldmann, dem Macher des WOLL-Radios (www.woll-radio.de), trafen mit dem frischgebackenen Leiter des Forstamts Oberes Sauerland Frank Rosenkranz und dem Schmallenberger Biochemiker und erfolgreichen Buchautor Torben Halbe („Das wahre Leben der Bäume“, erhältlich im WOLL-Verlag) zwei fachlich versierte Protagonisten zusammen, um die Leistungsfähigkeit des Sauerländer Waldes angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel zu erörtern.

Von links nach rechts: Frank Rosenkranz, Torben Halbe und Patrick Feldmann.
Foto: WOLL-Verlag/Hermann-J. Hoffe


Der Wald hat zahllose Spuren in der deutschen Kultur hinterlassen und tut dies auch ganz aktuell, wie sich an Sachbüchern, Bildbänden, Kalendern oder Magazinen zeigen lässt, die gleichsam im Windschatten des vom ehemaligen Förster Peter Wohlleben verfassten Bestsellers „Das geheime Leben der Bäume“ die Regale und Auslagen der Buch- und Zeitschriftenhandlungen füllen.
In Fachkreisen höchst kritisch beäugt und scharf kritisiert, scheint es gerade der von Wohlleben angeschlagene Ton zu sein, der viele Käufer seiner Veröffentlichungen anspricht. Zugleich aber sieht sich der Kreis der Fachleute in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion mehr und mehr in eine Defensive gedrängt, in der er dank des fundierten Wissens gar nicht sein dürfte. Frank Rosenkranz konnte z. B. aus dem Forstamt Bonn berichten, dass jeder geplante Holzeinschlag mit einem Rechtfertigungsdruck einhergehe.
Im Zeichen des Umweltschutzes wird gerne die Forderung formuliert, man müsse „den Wald wieder Wald sein lassen“, ihn als „Urwald“ sich selbst überlassen. Ein hehres Ziel, dem auch Fachleute wie Frank Rosenkranz und Torben Halbe gerne zustimmen – sofern es dabei auf das Bewahren des naturnahen Waldes als Kulturgut hinausläuft. Denn der Nutzen des „Urwalds“ – so etwas wie der Heilige Gral vieler Umweltschützer – für den Klimaschutz fällt weit weniger bedeutend aus, als man viele dies glauben mögen …
Bäume speichern CO2 so lange sie wachsen. Sind sie am Ende ihres Längenwachstums angelangt, halten Kohlenstoffspeicherung und -abgabe eines Waldes sich die Waage. An diesem Punkt beginnt im Wirtschaftswald die Ernte: Die Bäume werden geschlagen und neue gepflanzt, um den Kreislauf wieder von Neuem beginnen zu lassen. Und während so im Wachstumsprozess neuerlich Kohlenstoff in relativ großem Maße gebunden und gespeichert wird, ist dies im naturbelassenen Urwald nicht der Fall, da hier Bäume nur dort nachwachsen, wo ein anderer mit dem Ende seines Lebenszyklus Platz für sie geschaffen hat.
Überhaupt stellt sich die CO2-Speicherung von Bäumen so dar, dass nur ein Viertel konkret in Gestalt lebender Bäume gebunden ist, drei Viertel jedoch als sogenannter „Produktspeicher“ in Form von Produkten aus geschlagenem Holz. Je mehr man also auf aus Holz hergestellte Produkte zurückgreifen kann, desto größer die langfristige Kapazität für das Speichern von Kohlenstoffverbindungen wie dem CO2.
Die Ziele der Klimakonferenzen erscheinen in den Augen nicht weniger Wissenschaftler bereits heute nahezu pulverisiert, da das weltweite Wirtschaftswachstum und die steigende Mobilität die Rasanz und Dynamik des Klimawandels zusätzlich befeuern. Um so wichtiger wäre es also, mit einer weitsichtig angelegten, nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern einen Beitrag zum Abbremsen dieser Entwicklung zu leisten. Doch ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Waldbewirtschaftung arg gesunken, vor allem in urban geprägten Lebensräumen.
Wie Torben Halbe anmerkte, zeichnet sich in der Gesellschaft eine bedenkliche Sehnsucht nach einfachen Wahrheiten ab, die im Grunde nie der Komplexität der einzelnen Themen gerecht wird. Es dominiert eine emotionale, mitunter ideologisch aufgeladene Ansprache des breiten Publikums, der man nur mit einem Vermeiden von Generalisierungen, einer zielgerichteten, auf Fakten basierenden und die heterogenen Interessen berücksichtigenden Adressierung begegnen könne. Nicht ohne Grund hat der erfolgreiche Autor, den mittlerweile Einladungen aus ganz Deutschland oder auch aus Österreich erreichen, mittlerweile in Kanada ein Studium der Wissenschaftskommunikation aufgenommen. Er ist sich der Bedeutung einer angemessenen Vermittlung von Wissen bewusst geworden.
Die Fachleute müssten als „Übersetzer des Waldes“ fungieren können, wie es im Vorwort des Buches von Torben Halbe formuliert ist, ohne dabei aber trivial zu werden. Es gelte, die Deutungshoheit wiederzugewinnen und sie nicht einem ideologisch aufgeladenen Umweltschutz oder jenen zu überlassen, die einem Erfolgsrezept folgend allein emotionale Bedürfnisse befriedigen wollen.
Rosenkranz und Halbe hielten unisono fest, dass dies eine anstrengende, aber schöne Aufgabe sei – zumal wohl kaum einem Berufszweig in Deutschland ein derart uneingeschränktes Wohlwollen entgegengebracht wird, wie dem des Försters. Vor dem diesen ungemein interessanten Abend abschließenden Applaus formulierte Frank Rosenkranz die Maxime, „die Arme weit machen“ zu wollen, um die Vielfalt der Positionen und Interessen auf einen ebenso emotional ansprechenden wie wissenschaftlich verlässlichen Nenner bringen zu können – im Sinne des Waldes.
„Mensch Wald!“ hat das Forstamt sich auf die Fahnen geschrieben: Zwei Worte und ein Ausrufezeichen, die das spannende und an Spannungen reiche Verhältnis zweier aufeinander angewiesener Lebenswelten auf den Punkt bringen!