Zwei neue Werkausgaben von Sauerland-Dichtern

In diesem Frühjahr sind die literarischen Arbeiten von zwei Sauerlanddichtern aus dem Gebiet der Gemeinde Finnentrop in Buchform erschienen. Wer die beiden Werkausgaben von Joseph Anton Henke (1892-1917) aus Frettermühle und Ferdinand Wagener (1902-1945) aus Steinsiepen zur Hand nimmt, wird in den Lebenswegen und Arbeiten dieser beiden sauerländischen Autoren einige verblüffende Entsprechungen finden. Der junge Poet Henke bricht aus unbekannten Gründen seine Ausbildung an der Handelsschule in Köln ab, kehrt ins Sauerland zurück, schreibt neben hochdeutschen Texten auch Gedichte und Prosastücke in der Mundart seiner Heimatlandschaft und geht offenbar schwanger mit dem Plan, einen eigenen Verlag zu gründen. Ein Nachlass-Fragment enthält seine Forderung, ein ‚Volkstheater‘ für das Sauerland ins Leben zu rufen. Der 1913 veröffentlichten Sammlung „Sauerländische Volkspoesie“ folgt eine kriegsbegeisterte Lyrik. Henke meldet sich als Freiwilliger zum Kriegsdienst für das Kaiserreich, verlernt inmitten des Massenmordens alle Verse von sogenanntem Heldentum und sehnt sich zurück nach dem Lindenbaum am Elternhaus, wovon ein an der Front entstandenes Mundartgedicht zeugt. Seine dunklen Ahnungen werden durch den Kriegstod am 30. Oktober 1917 erfüllt.
Der zehn Jahre jüngere Ferdinand Wagener, wie Henke im Gebiet der heutigen Gemeinde Finnentrop geboren, übt sich eben­falls schon in jungen Jahren als Verfasser von – hoch- und plattdeutschen – Gedichten. Er engagiert sich während der Gymnasialzeit in der nunmehr verbandlich organisierten Heimatbewegung des kölnischen Sauerlandes und verfolgt dann zielstrebig seinen Weg als Theologiestudent. Doch Krisenjahre im Anschluss an eine rätselhafte Vergiftung Ende 1925 führen schließlich zum Abbruch des Studiums für den Priesterberuf. Wagener veröffentlicht zwei Heimatbücher und bereitet – parallel zu einem 1931 abgeschlossenen Promotionsstudium – seinen beruflichen Werdegang als Buchhändler und Gründer eines Heimatverlages vor. Ab 1933 glaubt er – unter Beibehaltung seiner römisch-katholischen Identität – im nationalsozialistischen Staat seine Verlegervision sowie u.a. auch ein ‚Volkstheater‘-Projekt verwirklichen zu können. Im August 1940 sehnt sich Wagener danach, als Vater von inzwischen drei Kindern in den Krieg ziehen zu dürfen. Schon gegen Ende der militärischen Grundausbildung im Folgejahr erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Am Militärstandort in Ostpreußen entstehen neue Dichtungen, darunter u.a. ein Text über den Kirschbaum der Jugendzeit. Auch dieser Sauerländer äußert eine Todesahnung (s.u.) und kehrt aus dem Krieg nicht mehr zurück. Wie knapp drei Jahrzehnte zuvor schon Henke hat Wagener ebenfalls ein Gedicht geschrieben, in dem der amtlich als Feind bezeichnete Mensch ‚auf höherer Warte‘ als ein möglicher Bruder vorgestellt wird.
Somit spiegeln die beiden neuen Werkausgaben mit hoch- und plattdeutschen Texten auch menschliche Erfahrungen von Sauerländern aus zwei Weltkriegen. Die Bücher können unter Angabe der ISBN-Nummer überall im Buchhandel bestellt werden.
 
Joseph Anton Henke (1892-1917): Gesammelte Werke. Norderstedt 2017. [ISBN 978-3-7431-1229-2; 240 Seiten; 13,40 Euro]
 
 
 
 
Ferdinand Wagener (1902-1945): Gesammelte Werke in sauerländischer Mundart, nebst hochdeutschen Texten. Hrsg. P. Bürger und Wolf-Dieter Grün. Ein Editionsprojekt zur Mundartliteraturgeschichte aus dem Christine Koch-Mundartarchiv in Zusammenarbeit mit dem Heimatbund Gemeinde Finnentrop e.V. Norderstedt 2017. [ISBN 978-3-7431-7570-9; Paperback; 612 Seiten; Preis 18,90 €]