Keilschriftforscher und Sumerologe Anton Deimel

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Im Jahr 2014 entfachte eine uralte sumerische Tontafel neue Diskussionen um Noahs Arche. Das Keilschriftdokument aus dem alten Mesopotamien, der Wiege der Zivilisation zwischen Euphrat und Tigris, enthält nach Ansicht von Wissenschaftlern weitere Hinweise darauf, dass Noahs Geschichte eine reale Basis hat und die Bibelschreiber über eine poetische Nabelschnur mit der frühesten Hochkultur der Erde verbunden waren.
Schon seit 1872 ist bekannt, dass die Sumerer einen Sintflut-Mythos kannten. Damals im antiken Ninive im heutigen Irak ausgegrabene Tontafeln erzählen als älteste menschliche Aufzeichnung von einer Flutkatastrophe, inklusive einem Helden, der ein Boot baut, und einer Taube, die nach trockenem Land sucht. Neu an der jüngst entschlüsselten Tafel ist ein besonderes Detail: nämlich die Anweisung, jeweils zwei von jeder Tierart mit an Bord zu nehmen. So wie eben bei Noah auch, nur dass die Geschichte im Alten Testament über 1000 Jahre jünger ist.
Ein Mann, der sich der Mythologie, Kultur, Literatur, Geschichte und Sprache der Sumerer widmete, war Anton Deimel, 1865 in Olpe geboren. Der Jesuit, Theologe und Wissen-schaftler gilt als Mitbegründer der Sumerologie, jener Wissenschaft, die sich mit dem südmesopotamischen Volk beschäftigt, das im Zweistromland beim Übergang zur Hochkultur eine entscheidende Rolle spielte.
Die Sumerer erfanden das Rad und die Sumerer gelten als die Erfinder der Schrift. Sie lieferten in ältester Zeit den Grundstock für die wichtigsten Arten der späteren Keilschriftliteratur. Beginnend als Bilderschrift entwickelte sie sich mit dem in Wirtschaft und Verwaltung zunehmenden Bedarf nach Kommunikation und damit einer kürzeren und schnelleren rationalen Form zu einer Silbenschrift. Mit einem aus Schilfrohr geschnittenen Griffel mit dreieckigem Querschnitt drückte man Keile in weichen Ton oder Lehm, der anschließend durch Trocknen oder Brennen gehärtet wurde. Die Keilschrift entwickelte sich ab 5000 v. Chr., wurde bald von anderen Völkern adaptiert und galt schließlich – um 1400 vor unserer Zeitrechnung – als international verwendete Schrift des alten Orients. In wissenschaftlichen Texten, zum Beispiel in der Astronomie, ist sie noch bis in das 1. Jahrhundert n. Chr. zu finden.
Im ehemaligen Hotel „Kölner Hof“ (Ecke Bahnhofstraße/Bruchstraße) wird Anton Deimel als Sohn des Gerberei- und Gasthofbesitzers Gustav Deimel und seiner Frau Emma, eine Liedhegener aus Balve, geboren. Anton besucht die Volksschule in Olpe, die Gymnasiem in Attendorn und in Paderborn, studiert Philosophie und Theologie und tritt 1888 in Holland, wohin die Jesuiten wegen des Verbots in Deutschland (Kulturkampf) ihr Provinzalat verlegt hatten, in den Jesuitenorden ein. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1900 wird Deimels Interesse im Rahmen seiner Erforschung der Urtexte der Bibel auf die Keilschriftwissenschaft gelenkt: Unter Johann N. Straßmaier, dem derzeit führenden Altorientalisten, der im Britischen Museum fast alle bis dahin ausgegrabenen Keilschrifttafeln kopierte hatte, kommt er mit dem frühesten Schriftsystem in Berührung, das ihn fortan nicht mehr loslassen sollte. 1909 wird er nach Rom als Professor für Sprachen und Kulturen des Orients an das neu gegründete Päpstliche Bibelinstitut berufen. In der Ewigen Stadt bleibt er – unterbrochen von der Zeit des Ersten Weltkrieges, denn in Italien gilt er als feindlicher Ausländer – bis zu seinem Tod im Alter von 89 Jahren am 6. August 1954. Dort ist er auch begraben.

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Der „Kölner Hof“ – das Geburtshaus von Anton Deimel – um 1900


Anton Deimel war eine international anerkannte Autorität auf seinem Fachgebiet. Bis zu seinem Tod studierte er akribisch und unermüdlich unzählige gebrannte Tafeln und leistete mit seiner Arbeit einen großen Beitrag für die Wissenschaft. Er spielte eine tragende Rolle im „Babel-Bibel-Streit“ Anfang des 20. Jahrhunderts, veröffentlichte das „Pantheon Babylonicum“ (1914) über babylonische Götternamen, gründete 1920 die Schriftenreihe „Orientala“ mit insgesamt 55 Ausgaben und bearbeitete die berühmten Texte von Fara (sumerisch: Suruppak). 1903 hatte hier die Deutsche Orientgesellschaft bei Ausgrabungen eine große Sammlung sumerischer Tontäfelchen zutage gefördert. Sein zentrales Werk aber ist das Sumerische Lexikon, das er ab 1925 in vier Bänden mit insgesamt über 1.100 Seiten vorlegte. Zu seinem 70. Geburtstag widmeten ihm namhafte Assyriologen die Denkschrift „Miscellanea Orientala“, in der sie ihre neusten Forschungen vorstellten.
Über all seiner Faszination für den Alten Orient fühlte sich Anton Deimel seiner Geburtsstadt im Sauerland immer tief verbunden. Und so ist in einem seiner letzten Briefe zu lesen: „Die Olper Heimat, obwohl 66 Jahre von ihr fern, habe ich nie vergessen.“
Text: Birgit Engel  //  Fotos: Stadtarchiv
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