Willi Rüsche aus Klinke geht auf Spurensuche

WOLL Sauerland Klinke

Willi Rüsche hat sie noch kennengelernt: frostige Wintermonate mit sehr viel Schnee. Als Junge ist der heute 70-Jährige mit Schlittschuhen auf der zugefrorenen Listertalsperre von der Sperrmauer bis nach Hunswinkel gelaufen. Bei 80 Zentimeter dickem Eis unter den Kufen war das kein Problem.
Auch an Frostbeulen und Eisblumen im Schlafzimmer kann sich der in Rhode wohnende Rentner noch genau erinnern. „Die Küche war der einzig warme Raum im ganzen Haus. Im Winter haben wir unsere Schuhe vor dem Bratofen auftauen lassen“, erzählt der gelernte Werbegrafiker aus seiner Kindheit in Klinke, einem Ortsteil von Listernohl. Mit acht Jahren erlebte Willi Rüsche in seiner längst in den Fluten des Biggesees versunkenen alten Heimat die Fußball-WM 1954, als Deutschland zum ersten Mal Weltmeister wurde. „Im Ort besaß eine Familie einen Fernseher. Um Platz für die vielen Gäste zu schaffen, wurde die Tür zwischen zwei Zimmern ausgehängt. Wir Kinder haben auf dem Boden gesessen“, weiß Rüsche noch genau.
Das Elternhaus in Klinke war 1939 gebaut worden. Da gab es schon die ersten Pläne für die Biggetalsperre. Als Junge hat der 1945 nach Kriegsende geborene Heimatforscher „bewusst miterlebt“, wie die Vermessungsarbeiten begannen und die Markierungen für die spätere Höhe des Wasserspiegels gesetzt wurden. Die alte Heimat Klinke unterhalb des heutigen Schnütgenhofs hat den Werbegrafiker, der 28 Jahre selbstständig war, nie losgelassen. Noch immer hat er das Bild vor Augen, wenn die Listertalsperre „nebenan“ überlief. „Das war so laut, da konnte man nachts nicht schlafen“, erinnert sich Willi Rüsche an das Donnern und Zischen des von der Dammkrone herabfallenden Wassers. Viele Jahre später ist die Beschäftigung mit der alten Heimat zu seinem großen Hobby geworden. Über 500 historische Fotos und Aufnahmen hat Rüsche gesammelt, darunter ist eine CD mit Farbdias von Pastor Müller, einem begeisterten Hobbyfotografen. Aus alten Bildvorlagen hat der Werbegrafiker zudem exakte Federzeichnungen angefertigt.
Dabei war es Willi Rüsche immer wichtig, die Situation vor dem Abriss der Häuser und Höfe festzuhalten und nicht die Bauarbeiten an der Biggetalsperre. „Mich hat immer interessiert, wie es früher ausgesehen hat, bevor der RTV seine Finger im Spiel hatte“, betont der Heimatforscher beim Besuch des WOLL-Magazins. Mit Wolfgang Keseberg von der Personenschifffahrt hat Willi Rüsche bei der Ausstellung „Versunkenes Tal“ zusammengearbeitet, die beim Niedrigwasser 2003 auf großes Interesse gestoßen ist. Später kamen die 18 Tafeln mit historischen Fotos am Biggesee und die vier Schilder an der Listertalsperre hinzu: mit vielen Aufnahmen und Infos über die versunkene Welt des Biggetals.
Wenn das Wasser Meter um Meter aus der Biggetalsperre abgelassen wird, werden auch bei Willi Rüsche viele Erinnerungen wach: „Dann kommt die Kindheit wieder hoch.“ Und irgendwann will der 70-Jährige unterhalb von Schnütgenhof am Ufer stehen und hofft, dass dann vielleicht ein kleines Stück aus der alten Heimat wieder an die Oberfläche kommt.


von Martin Droste [Text/Fotos], Willi Rüsche [Fotos]
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