Gebürtige Attendornerin als Entwicklungsexpertin

WOLL Sauerland Barbara Rocksloh-Papendieck

Unter der Überschrift „Botschafter unter deutscher Flagge“ schreibt die Bundesregierung auf ihrer Homepage im August 2013 einen interessanten Bericht über die Eheleute Papendieck, die viele Jahre lang im Auftrag der Bundesregierung im westafrikanischen Mali gearbeitet haben. „Sie sind auch Friedensstifter und Brückenbauer zwischen den Kulturen – also ,Bot-schafterinnen‘ und ,Botschafter‘ aus Deutschland“ heißt es in diesem Bericht.
Von 1994 bis 2011 leiteten die Soziologin Dr. Barbara Rocksloh-Papendieck und der Ökonom Dr. Henner Papendieck sowie Yehia Ag Mohamed Ali als malischer Koordinator das große Entwicklungshilfeprojekt „Programm Mali-Nord“. In den 17 Jahren unter ihrer Verantwortung flossen 85 Millionen Euro in dieses Vorhaben, die meisten Mittel davon über die KfW Entwicklungsbank und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die restlichen über internationale Institutionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union.
Die Wurzeln der Soziologin liegen in Attendorn. Bis zum 21. Lebensjahr lebte Barbara Rocksloh in Attendorn auf dem Kehlberg. Sie ist die Tochter der Eheleute Theodor und Elisabeth Rocksloh. Ihr Bruder Ulrich Rocksloh war als Benediktinerpater John in Tansania segensreich tätig. Er verstarb bei einem Badeunfall am 12. Januar 2011. In Attendorn ist er in bester Erinnerung. Nach dem Besuch der Realschule der Ursulinen machte Barbara Rocksloh bei der Firma Muhr und Bender eine Ausbildung als Technische Zeichnerin. An ihrem späteren Wohnsitz Berlin folgten Abitur, das Diplom in Soziologie (1975) und die Promotion zum Dr. phil. in Entwicklungssoziologie (1988). Kontakte zu ihrer Heimatstadt bestehen nach wie vor.
Nach einer Rebellion im Norden des Landes Mali, 1994, startete Deutschland im Rahmen der Konfliktbewältigung und der entwicklungsorientierten Nothilfe das „Programm Mali-Nord“. Das deutsche Expertenpaar suchte stets das Gespräch mit den Menschen, vor allem in den entlegenen ländlichen Gebieten, denn Frieden ließ sich ihrer Überzeugung nach nur von unten nach oben stiften und nicht von oben verordnen. Weil sie den Menschen zuhörten, deren Wünsche und Erwartungen respektierten und mit der eigenen Meinung nicht hinter dem Berg hielten, erwarben sie das Vertrauen der Bevölkerung. Auch die Verwaltungs- und Regierungsstellen des Landes waren nach und nach offen für ihre Ideen. Ihr Engagement, kulturelles Einfühlungsvermögen und viel Überzeugungsarbeit trugen dazu bei, nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. Die Geländewagen des Programms Mali-Nord mit den weit sichtbaren Funkantennen und der deutschen und der malischen Flagge auf den Türen waren rasch weit und breit bekannt und willkommen.
Das Programm Mali-Nord half, dass die vertriebenen Menschen zurückkehrten, die Wochenmärkte wieder öffneten und die Felder bestellt wurden. Öffentliche Einrichtungen nahmen ihre Arbeit wieder auf. Ackerbau und Viehzucht nahmen einen ungeahnten Aufschwung. So entstand in dem malischen Ort Léré innerhalb weniger Jahre der größte Viehmarkt des Nordens.
Ausgelöst durch den Militärputsch (2011) und die Besetzung durch militante Islamisten (2012) stellte man den Entwicklungs-experten die Frage: Was wird denn nun aus den Menschen, den Früchten der langen Projektarbeit und den vielen investierten Mitteln? „Für die Katz war verblüffenderweise wenig“, sagt Henner Papendieck und erklärt: „Das Kapital unserer Projektarbeit sind neben den Feldern die Kleinbauern und -bäuerinnen selbst. Sie haben den wirtschaftlichen Wert längst erkannt und stehen mit Überzeugung hinter ihrer Bewässerungslandwirtschaft und dem Anbau von Reis. Sie verschafft ihnen Einkommen und eine Zukunft für ihre Familien.“ Ohne das soziale Gespür der beiden deutschen Entwicklungsexperten, ihre Überzeugungskraft und ihr wirtschaftliches Organisationstalent wäre dies sicherlich nicht so gekommen.
2011 haben beide die Projektleitung abgegeben. Ein jüngeres Team setzt ihre Arbeit erfolgreich fort. In den letzten Jahren waren sie im Auftrag der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und des Auswärtigen Amtes erneut in Mali. Auch zu Hause in Berlin bleiben sie in ständigem Kontakt mit ihren malischen Freunden, Kollegen und Bekannten.
Über besondere Begebenheiten und aktuelle Ereignisse aus dem Norden Malis berichtet Dr. Barbara Rocksloh-Papendieck seit dem Jahr 2008 in ihrem eigenen Blog im Internet. Der interessierte Leser kann hier viele Details erfahren: www.mali-nord.de. Hier schreibt die gebürtige Attendornerin: „Malerisch ist das Leben an den Ufern des Niger, hart ist der Alltag und weit verbreitet die Armut. Von der Härte und der Armut tragen die Frauen den größeren Teil und sind dabei doch lebenslustig und gewitzt. Ein Licht auf deren tägliches Leben zu werfen, habe ich mir vorgenommen.“ Ihr Blog bezieht sich vor allem auf den Teil der Arbeit, für den sie selbst so lange verantwortlich war: die Frauen.
Um viele Aspekte des Frauenalltags hat Barbara Rocksloh-Papendieck sich gekümmert. Sie hat Dutzende von kleinen und großen Projekten für Frauen angeregt, organisiert und begleitet. Zu den größten gehören Bewässerungsfelder, auf denen Hunderte von Kleinbäuerinnen seit Jahren außerordentlich erfolgreich arbeiten und die höchsten Hektarerträge der Region erzielen.
Besonders stolz ist die ehemalige Projektleiterin aber darauf, dass durch ihren persönlichen Einsatz in einem großen Teil des Projektgebiets Nord-Mali eine intensive Aufklärungskampagne unter den malischen Frauen unter Führung der Hebammen stattfand und es dadurch gelang, die Beschneidung junger Mädchen zu beenden.
Für ihre Arbeit im Norden Malis verlieh die Bundesrepublik Deutschland Barbara Rocksloh-Papendieck und ihrem Ehemann Henner Papendieck im Jahr 2004 das Bundesverdienstkreuz. Der malische Präsident ernannte beide im Jahr 2009 zu Rittern des malischen Verdienstordens (chevaliers de l’ordre national du Mali).
Für beide war und ist das Programm Mali-Nord mehr als eine große Herausforderung. „Ein Stück unseres Herzens wird für immer bei den Menschen in der Region und bei unseren Freunden in Mali bleiben.“


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