Der Uhu, König der Nacht

Unsere größte Eule ist erst seit 40 Jahren wieder bei uns im Sauerland heimisch.

Uhu - Dieter Gandras

Die Kalkfelsen in unseren alten Steinbrüchen sind sein
Brutrevier. (Foto: Dieter Gandras)


Der Uhu, unsere größte heimische Eule, war in früheren Zeiten weit verbreitet. Infolge von Fang und Bejagung wurde er aber großflächig ausgerottet. In Westfalen geschah das im Jahr 1909. Dank des gestiegenen Umweltbewusstseins in den letzten Jahrzehnten ist es jedoch gelungen, seit 1974 in einem langjährigen Wiedereinbürgerungsprozess, mit Unterstützung der Landesregierung und viel privatem Einsatz, aber auch gegen manchen Widerstand, diesen majestätischen Nachtgreifvogel bei uns neu anzusiedeln. Gerade in diesen Tagen ist er mit etwas Glück wieder in der Dämmerung zu hören.
Der Uhu erreicht eine Flügelspannweite bis zu 180 cm. Das Erscheinungsbild ist wegen seiner Größe, der charakteristischen Federohren und der großen, bernsteingelben Augen unverwechselbar. Er ist ein Dämmerungs- und Nachtjäger. Und obwohl seine starr nach vorn gerichteten Augen auch am Tage sehr leistungsfähig sind, wird die Beute fast immer mit dem Gehör von einer Warte aus geortet.
Uhu im Gleitflug - Dieter Gandras

Mit seiner Spannweite von bis zu 180 cm ist der Uhu eine beeindruckende Erscheinung, falls man
ihn zu Gesicht bekommt. (Foto: Dieter Gandras)


Im lautlosen Gleitflug, bedingt durch eine besondere Federform an den Schwingen, werden die Beutetiere überrascht und mit den langen, gebogenen Krallen seiner großen Fänge geschlagen. Der Schnabel wird nur zum Zerteilen der Nahrung benutzt. Diese besteht zu rund 50 Prozent aus Mäusen, Ratten und Bilchen, also Siebenschläfern, Haselmäusen, Haus- und Gartenschläfern, aber auch Maulwürfen und Igeln. Die übrige Nahrung ist differenziert und kann aus Rabenvögeln, Tauben, Enten, anderen Eulen und Greifvögeln bestehen. Manchmal werden Kaninchen, kleine Hasen und junge Füchse erbeutet, aber selbst wildernde Katzen und die Jungen des Waschbären werden überwältigt.
Da die Verdauungssäfte der Eulen Knochen, Federn und Haare nicht zersetzen können, werden diese Nahrungsreste als „Gewölle“ wieder ausgeschieden. Durch Untersuchung der Zusammensetzung lässt sich das genaue Nahrungsspektrum ermitteln.
Die Vögel können über 20 Jahre alt werden. Die Paare finden sich durch den weichen, tiefen Balzruf des Männchens. Bereits im Winter, wenn es klar und nicht zu kalt ist, lässt er sein namengebendes deutliches „U-hu“ zur Dämmerung von hoher Felskante erklingen. Findet sich ein Paar zur Brut, kommt es normalerweise zu einer lebenslangen Verbindung.
Das viele Quadratkilometer große Jagdrevier erfordert Freiflächen zur Nahrungssuche, Bäume und Gebüschgruppen zum Ansitz sowie eine Felswand zur Brut und als Tagesversteck. An einem guten Brutplatz hält der Uhu über viele Jahre mit großer Ausdauer fest – selbst wenn es stillgelegte Steinbrüche sind, die wieder aktiviert werden. Dann ertragen sie sogar Sprengungen und Baggerarbeiten in ihrer Nähe. Empfindlich sind sie jedoch bei menschlichen Störungen, wenn sie trotz ihrer ausgezeichneten Tarnfärbung entdeckt werden. Sie verlassen dann den bevorzugten Tagesansitz und suchen sich einen anderen.
In der Regel legt das Weibchen im März oder April an einem geschützten Platz in der Felswand – mit guter Übersicht und möglichst einem niedrigen Sichtschutz aus Steinen oder Pflanzen – bis zu fünf reinweiße Eier auf den nackten Fels. Die Anzahl wird durch das Nahrungsangebot bestimmt. Die Eiablage geschieht in mehrtägigem Abstand und das Weibchen brütet allein vom ersten Ei an. Während der Brutzeit reagiert es äußerst empfindlich auf Störungen. Verlässt es dann die Eier, kehrt es meistens nicht zurück und die Brut ist verloren. Auch Nachbruten an anderer Stelle sind selten. Die Jungen schlüpfen nach 32 Tagen in dem Abstand, in dem die Eiablage erfolgte.
Junguhu Dieter Gandras

Dem neugierigen Jungvogel entgeht keine Bewegung. (Foto: Dieter Gandras)


Daraus resultiert auch der charakteristische „Orgelpfeifenanblick“ wie bei allen Greifvögeln. Vom Beginn der Brut bis in die ersten Wochen, wenn die Jungen noch hilflos sind, bleibt das Weibchen permanent im Horst. Nur zur Beuteübernahme und zum Koten fliegt es auf eine nahe Felsnase. Das Männchen muss jetzt bei der Jagd großes Geschick beweisen, denn es ist allein für die ganze Familie verantwortlich. Aber die Jungen wachsen schnell und erkunden bereits nach drei Wochen zu Fuß die nähere Umgebung. Dann hilft das Weibchen bereits mit, die immer größer werdenden Nahrungsmengen zu beschaffen.
Uhu SWR-Webcam

Die SWR-Uhu-Webcam: Beobachten Sie live das Familienleben einer Eifeler Uhu-Familie.

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Etwa nach sechs Wochen unternehmen die Jungvögel die ersten Hüpf- und Flugversuche. Da dies am Nachmittag geschieht, werden sie von Raben- und Greifvögeln schnell entdeckt. Diese „hassen“ auf die jungen Eulen, in dem sie Scheinangriffe fliegen und attackieren. Das Uhu-Weibchen ist aber stets in der Nähe und schlägt die unvorsichtigen Angreifer auch am hellichten Tag. So konnte im Laufe eines Sommers beobachtet werden, wie 18 „ortsansässige“ Krähen nach und nach erbeutet und sofort an die Jungen verfüttert wurden. Auch mehrere Elstern, Eichelhäher, Bussarde und ein Rotmilan haben ihren Übermut nicht überlebt.
Wenn die Flugversuche der Jungen ausgedehnter werden, führen sie unter Anleitung der Eltern zu ersten Jagderfolgen. Diese Übungen werden zur Selbstständigkeit fortgeführt, bis vor Beginn des Herbstes die Lehrzeit zu Ende geht. Nun müssen die Jungvögel abwandern, ein eigenes Revier finden und, wenn sie den Winter überleben, zum Frühjahr nach einem Partner suchen.

  • Als Reise- und Naturfotograf ist Dieter Gandras seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt unterwegs und pflegt das größte Vortragsprogramm seiner Art im deutschsprachigen Raum. Für gewöhnlich veröffentlicht er keine Bilder außerhalb seiner eigenen Vortragsreihen. Mehr unter: www.dieter-gandras.de

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